Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
komisch.«
    Eine Tür klickte am Ende des Ganges, und schwere Schritte kamen auf sie zu. Es war Packer, und er blieb vor Nummer sechs stehen. »Morgen, Sam«, sagte er.
    »Morgen, Packer.«
    »Ziehen Sie Ihren Roten an. Sie haben Besuch.«
    »Wer ist es?«
    »Jemand, der sich mit Ihnen unterhalten möchte.«
    »Wer ist es?« wiederholte Sam, während er rasch in seinen roten Overall schlüpfte. Er griff nach seinen Zigaretten. Ihm war es völlig gleich, wer der Besucher war oder was er wollte. Jeder Besuch war eine willkommene Erlösung aus seiner Zelle. »Beeilen Sie sich, Sam«, sagte Packer.
    »Ist es mein Anwalt?« fragte Sam und schob seine Füße in die Duschsandalen.
    »Nein.« Packer legte ihm durch die Stäbe hindurch die Handschellen an, dann glitt die Tür auf. Sie verließen Abschnitt A und gingen zu dem kleinen Raum, in dem immer die Anwälte warteten.
    Packer nahm Sam die Handschellen ab und schlug hinter ihm die Tür zu. Auf der anderen Seite des Gitters saß eine massig gebaute Frau. Er kannte sie nicht. Er setzte sich, zündete sich eine Zigarette an und musterte sie.
    Sie rutschte auf ihrem Stuhl nach vorn und sagte nervös: »Mr. Cayhall, mein Name ist Dr. Stegall.« Sie schob eine Visitenkarte durch die Öffnung »Ich bin die Psychiaterin der Staatlichen Gefängnisverwaltung.«
    Sam betrachtete die Karte auf der Trennplatte vor sich. Er hob sie auf und untersuchte sie argwöhnisch. »Hier steht, Ihr Name ist N. Stegall. Dr. N. Stegall.«
    »Das stimmt.«
    »Das ist ein merkwürdiger Name, N. Mir ist noch nie eine Frau begegnet, die N. hieß.«
    Das kleine nervöse Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, und ihr Rückgrat versteifte sich. »Das ist nur ein Anfangsbuchstabe, okay? Ich habe meine Gründe.«
    »Wofür steht es?«
    »Das geht Sie nun wirklich nichts an.«
    »Nancy? Norma? Nelda?«
    »Wenn ich wollte, daß Sie es wissen, hätte ich es auf die Karte gesetzt, oder etwa nicht?«
    »Ich weiß nicht. Muß etwas ganz Schlimmes sein, was immer es sein mag. Nick? Ned? Wie kann man sich nur hinter einem Anfangsbuchstaben verstecken?«
    »Ich verstecke mich nicht, Mr. Cayhall.«
    »Nennen Sie mich einfach S., okay?«
    Sie preßte die Kiefer zusammen und warf ihm durch das Gitter hindurch einen wütenden Blick zu. »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.«
    »Sie kommen zu spät, N.«
    »Nennen Sie mich bitte Dr. Stegall.«
    »Na schön, in dem Fall können Sie mich Anwalt Cayhall nennen.«
    »Anwalt Cayhall?«
    »Ja. Ich weiß mehr von der Juristerei als die meisten der Typen, die sonst da sitzen, wo Sie jetzt sind.«
    Sie brachte ein leichtes, herablassendes Lächeln zustande, dann sagte sie: »Es gehört zu meinen Pflichten, Sie in diesem Stadium des Verfahrens aufzusuchen und Sie zu fragen, ob ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann. Sie brauchen nicht zu kooperieren, wenn Sie nicht wollen.«
    »Vielen Dank.«
    »Wenn Sie das Bedürfnis haben, mit mir zu sprechen, oder wenn Sie jetzt oder später irgendwelche Medikamente brauchen, dann lassen Sie es mich wissen.«
    »Wie wäre es mit einer Flasche Whiskey?«
    »Die kann ich nicht verschreiben.«
    »Weshalb nicht?«
    »Gefängnisvorschriften. «
    »Was können Sie verschreiben?«
    »Beruhigungsmittel, Valium, Schlaftabletten und dergleichen.«
    »Wozu?«
    »Für Ihre Nerven.«
    »Meinen Nerven geht es gut.«
    »Können Sie schlafen?«
    Sam dachte einen langen Moment nach. »Nun, um ehrlich zu sein, ich habe da gewisse Probleme. Gestern habe ich insgesamt nur zwölf Stunden geschlafen. Normalerweise sind es fünfzehn oder sechzehn.«
    »Zwölf Stunden?«
    »Ja. Wie oft kommen Sie hierher?«
    »Nicht sehr oft.«
    »Das dachte ich mir. Wenn Sie wüßten, was Sache ist, dann wüßten Sie auch, daß wir im Durchschnitt sechzehn Stunden am Tag schlafen.«
    »Ich verstehe. Und was könnte ich sonst noch erfahren?«
    »Eine Menge Dinge. Sie würden wissen, daß Randy Dupree langsam den Verstand verliert, und daß sich niemand darum kümmert. Weshalb haben Sie ihn noch nicht besucht?«
    »Hier gibt es fünftausend Häftlinge, Mr. Cayhall. Ich...«
    »Dann verschwinden Sie. Hauen Sie ab. Kümmern Sie sich um die restlichen viertausendneunhundertneunundneunzig. Ich bin seit neuneinhalb Jahren hier und habe Sie noch nie zu Gesicht bekommen. Und jetzt, wo mich alle in die Gaskammer schicken wollen, kreuzen Sie plötzlich hier auf mit einem Sack voller Drogen, um meine Nerven zu beruhigen, damit ich auch ja schön sanft und gefügig bin, wenn ihr mich umbringt.

Weitere Kostenlose Bücher