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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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er zum Jackson Square und schaute zu, wie die Künstler ihre Staffeleien einpackten und verschwanden. Die Straßenmusiker und tänzer hatten sich vor einer alten Kathedrale versammelt, und er applaudierte einem erstaunlichen Streichquartett aus Studenten der Tulane University. Überall waren Leute; sie tranken, aßen und tanzten und genossen die ausgelassene Atmosphäre des French Quarter.
    Er kaufte sich ein Vanilleeis und machte sich auf den Weg zur Canal Street. An einem anderen Abend und unter anderen Umständen wäre er vielleicht versucht gewesen, sich eine Stripshow anzusehen, natürlich im Hintergrund sitzend, wo niemand ihn sehen konnte, oder er hätte sich in irgendein InLokal gesetzt und Ausschau nach einer schönen, einsamen Frau gehalten.
    Aber nicht heute abend. Die Betrunkenen erinnerten ihn an Lee, und er wünschte sich, er wäre nach Memphis zurückgekehrt, um nach ihr zu sehen. Die Musik und das Lachen erinnerten ihn an Sam, der in diesem Moment in seinem feuchtheißen Backofen saß, auf die Gitterstäbe starrte und die Tage zählte, hoffend und jetzt vielleicht auch betend, daß sein Anwalt ein Wunder vollbringen würde. Sam würde nie New Orleans sehen, nie wieder Austern essen oder Feuerbohnen mit Reis, nie ein kaltes Bier trinken oder einen guten Kaffee. Er würde nie Jazz hören oder Künstlern beim Malen zuschauen. Er würde nie wieder in einem Flugzeug sitzen oder in einem guten Hotel wohnen. Er würde nie angeln oder einen Wagen fahren oder tausend andere Dinge tun, die freie Menschen für selbstverständlich halten.
    Selbst wenn Sam den 8. August überlebte, würde er in seiner Zelle auch weiterhin jeden Tag ein wenig sterben.
    Adam verließ das Quarter und eilte zurück zu seinem Hotel. Er brauchte Ruhe. Der Marathonlauf stand unmittelbar bevor.
34
    D er Wärter, der Tiny hieß, legte Sam die Handschellen an und führte ihn aus Abschnitt A heraus. Sam hatte eine Plastiktüte bei sich, vollgestopft mit der Fan-Post der vergangenen beiden Wochen. Während des größten Teils seiner Zeit im Todestrakt hatte er im Durchschnitt monatlich eine Handvoll Briefe von Anhängern erhalten; Ange hörigen des Klans und deren Sympathisanten, Verfechtern der Rassentrennung, Antisemiten, allen möglichen Fanatikern. Ein paar Jahre lang hatte er diese Briefe beantwortet, aber im Laufe der Zeit war er der Sache überdrüssig geworden. Welchen Sinn hatte es? Für einige dieser Leute war er ein Held, aber je länger er mit seinen Bewunderern korrespondierte, desto verschrobener wurden sie. Es gab eine Menge Spinner da draußen. Ihm war sogar schon der Gedanke gekommen, daß er im Todestrakt vielleicht sicherer war als in Freiheit.
    Der Empfang von Post war vom Bundesgericht zu einem Recht erklärt worden, nicht zu einer Vergünstigung. Deshalb konnte man sie ihm nicht wegnehmen. Aber sie wurde inspiziert. Jeder Brief wurde geöffnet, wenn er nicht eindeutig von einem Anwalt kam. Sofern keine Zensur angeordnet worden war, wurden die Briefe nicht gelesen. Sie wurden in den Trakt gebracht und den Insassen ausgehändigt. Auch Päckchen wurden geöffnet und inspiziert.
    Der Gedanke an Sams Tod war für viele Fanatiker bestürzend, und nachdem das Fünfte Berufungsgericht seinen Aufschub annulliert hatte, war seine Post rapide angewachsen. Sie offerierten ihm ihre unerschütterliche Unterstützung und ihre Gebete. Ein paar boten ihm Geld an. Ihre Briefe waren in der Regel sehr lang, weil sie Schimpftiraden über Juden, Schwarze, Liberale und andere Verschwörer enthielten. Einige regten sich über die Steuern, die Waffengesetze und die nationale Verschuldung auf, andere hielten Predigten.
    Sam hatte die Briefe satt. Er bekam im Durchschnitt sechs pro Tag. Nachdem ihm die Handschellen abgenommen worden waren, legte er sie auf den Mitteltresen, dann bat er den Wärter, eine kleine Tür im Gitter aufzuschließen. Der Wärter schob die Plastiktüte durch die Tür, und Adam nahm sie auf der anderen Seite in Empfang. Der Wärter ging und schloß die Tür hinter sich ab.
    »Was ist das?« fragte Adam und hob die Tüte hoch.
    »Fan-Post.« Sam ließ sich auf seinem üblichen Platz nieder und zündete sich eine Zigarette an.
    »Und was soll ich damit tun?«
    »Lies sie. Verbrenn sie. Mir ist es gleich. Ich habe heute morgen meine Zelle aufgeräumt, und das Zeug war mir im Wege. Ich habe gehört, du wärst gestern in New Orleans gewesen. Erzähl mir davon.«
    Adam legte die Briefe auf einen Stuhl und ließ sich Sam gegenüber

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