Die Kammer
nieder. Die Temperatur draußen betrug neununddreißig Grad, und im Besucherraum war es kaum kühler. Es war Samstag, und Adam trug Jeans, Mokassins und ein leichtes Polohemd aus Baumwolle. »Das Fünfte Berufungsgericht hat Donnerstag angerufen und gesagt, ich sollte am Freitag erscheinen. Ich war dort, habe das Gericht mit meiner Brillanz geblendet und bin heute morgen nach Memphis zurückgeflogen.«
»Wann wollen sie entscheiden?«
»Bald.«
»Ein Gremium von drei Richtern?«
»Ja.«
»Wer?«
»Judy, Robichaux und McNeely.«
Sam dachte einen Moment lang über die Namen nach. »McNeely ist ein alter Krieger, der uns helfen wird. Judy ist eine konservative Zicke, oh, Pardon, ich meine natürlich eine konservative Amerikanerin, von den Republikanern ernannt. Ich glaube nicht, daß sie uns helfen wird. Über Robichaux weiß ich nichts. Wo kommt er her?«
»Aus dem Süden von Louisiana.«
»Ah, ein Cajun-Amerikaner.«
»Vermutlich. Er ist ziemlich stur. Wird nicht gerade helfen.«
»Dann verlieren wir zwei gegen einen. Du hast doch gesagt, du hättest sie mit deiner Brillanz geblendet.«
»Noch haben wir nicht verloren.« Adam war überrascht, daß Sam sich offenbar so gut unter den Richtern auskannte. Aber schließlich hatte er viele Jahre lang die Arbeit des Gerichts verfolgt.
»Wo liegt die Klage wegen unzulänglicher Rechtsberatung?«
»Noch beim hiesigen Bezirksgericht. Sie ist gegenüber der anderen ein paar Tage im Rückstand.«
»Dann laß uns irgendeine andere Eingabe machen.«
»Ich arbeite daran.«
»Arbeite schnell. Mir bleiben noch elf Tage. Ich habe einen Kalender an der Wand, und ich verbringe täglich mindestens drei Stunden damit, ihn anzustarren. Wenn ich morgens aufwache, mache ich ein großes Kreuz über den Vortag. Den 8. August habe ich eingekreist. Meine Kreuze rücken immer dichter an den Kreis heran. Tu etwas.«
»Ich arbeite. Im Augenblick entwickle ich eine neue Angriffsstrategie. «
»Tüchtiger Junge.«
»Ich glaube, wir können beweisen, daß du geistesgestört bist.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
»Du bist alt. Du bist senil. Du nimmst die Sache zu gelassen hin. Da kann etwas nicht stimmen. Du bist unfähig, den Grund für deine Hinrichtung zu begreifen.«
»Wir haben dieselben Fälle gelesen.«
»Goodman kennt einen Experten, der für ein angemessenes Honorar alles aussagen wird. Wir denken daran, ihn hierher zu bringen, damit er dich untersucht.«
»Wundervoll. Ich werde mir das Haar ausraufen und auf der Jagd nach imaginären Schmetterlingen durch den Raum geistern.«
»Ich glaube, bei einer Klage wegen Geistesgestörtheit können wir starke Argumente ins Feld fuhren.«
»Ich auch. Also tu es. Wir dürfen nichts unversucht lassen.«
»Wird gemacht.«
Sam rauchte ein paar Minuten und brütete vor sich hin. Sie schwitzten beide, und Adam brauchte frische Luft. Er hätte nur zu gern in seinem Wagen gesessen, die Fenster hochgekurbelt und die Klimaanlage eingeschaltet. »Wann kommst du wieder?« fragte Sam. »Montag. Und jetzt hör zu, Sam. Es ist kein erfreuliches Thema, aber wir müssen darüber reden. Du wirst irgendwann sterben. Vielleicht am 8. August, vielleicht auch erst in fünf Jahren. Bei deinem Zigarettenkonsum kann es nicht lange dauern.«
»Es ist nicht das Rauchen, das meine Gesundheit im Moment am stärksten bedroht.«
»Ich weiß. Aber deine Angehörigen, Lee und ich, müssen Vorbereitungen für deine Beisetzung treffen. Das geht nicht über Nacht.«
Sam starrte auf die Reihen von winzigen Dreiecken im Gitter. Adam kritzelte etwas auf seinen Block. Die Klimaanlage spuckte und zischte und bewirkte praktisch nichts. »Deine Großmutter war eine prächtige Frau, Adam. Schade, daß du sie nicht gekannt hast. Sie hätte etwas Besseres verdient als mich.«
»Lee hat mir ihr Grab gezeigt.«
»Ich habe ihr viel Leid angetan, und sie hat es mit Fassung getragen. Begrabt mich neben ihr. Vielleicht kann ich ihr sagen, daß es mir leid tut.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Tu das. Womit willst du die Grabstelle bezahlen?«
»Das laß meine Sorge sein, Sam.«
»Ich habe kein Geld, Adam. Ich habe es vor Jahren verloren, warum, liegt ja wohl auf der Hand. Ich habe das Land verloren und das Haus, es ist also nichts da, was ich hinterlassen könnte.«
»Hast du ein Testament gemacht?«
»Ja. Ich habe es selbst aufgesetzt.«
»Wir sehen es uns nächste Woche an.«
»Du versprichst, daß du Montag wiederkommst?«
»Ich verspreche es, Sam.
Weitere Kostenlose Bücher