Die Kammer
Uhr fertig, nur für alle Fälle. Kerry hatte außerdem einen Antrag auf Revision ans Oberste Bundesgericht vorbereitet für den Fall, daß auch das Fünfte Berufungsgericht sie abwies. Der Papierkram wartete. Jedermann wartete.
Um sich abzulenken, rief Adam alle Leute an, die ihm einfielen. Er sprach mit Carmen in Berkeley. Sie hatte noch geschlafen, und es ging ihr gut. Er rief in Lees Wohnung an, und natürlich meldete sich niemand. Er rief in Phelps' Büro an und sprach mit einer Sekretärin. Er rief Darlene an, um ihr mitzuteilen, daß er keine Ahnung hätte, wann er zurückkommen würde. Er wählte McAllisters Privatnummer, hörte aber nur das Besetztzeichen. Vielleicht hatte Goodman auch diese Leitung blockiert.
Er rief Sam an und informierte ihn über die Anhörung am Abend zuvor, mit besonderem Nachdruck auf Reverend Ralph Griffin. Packer hatte gleichfalls als Zeuge ausgesagt, teilte er ihm mit, und nichts als die Wahrheit gesagt. Nugent war, wie nicht anders zu erwarten, ein Arschloch gewesen. Er sagte Sam, er würde gegen Mittag kommen, und Sam bat ihn, sich zu beeilen.
Um elf wurde Slatterys Name inbrünstig verflucht und beschimpft. Adam reichte es. Er rief Goodman an und sagte ihm, er führe jetzt nach Parchman. Er verabschiedete sich von Hez Kerry und dankte ihm noch einmal.
Dann raste er davon, aus Jackson heraus, auf dem Highway 49 nach Norden. Parchman war zwei Stunden entfernt, wenn er sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt. Er fand einen Radiosender, der zweimal stündlich die neuesten Nachrichten versprach, und hörte sich eine endlose Diskussion über Spielcasinos in Mississippi an. In den Nachrichten um elf Uhr dreißig nichts Neues im Fall Cayhall.
Er fuhr achtzig und neunzig Meilen, überfuhr gelbe Linien und jagte durch Kurven und über Brücken, raste durch kleine Ortschaften und Dörfer mit strenger Geschwindigkeitsbegrenzung. Er wußte nicht, was ihn veranlaßte, in diesem Tempo nach Parchman zu fahren. Es gab nicht viel, was er tun konnte, wenn er dort angekommen war. Alle erforderlichen juristischen Schritte wurden von Jackson aus unternommen. Er würde mit Sam zusammensitzen und die Stunden zählen. Vielleicht würden sie auch ein wundervolles Geschenk vom Bundesgericht feiern.
In der Nähe des kleinen Ortes Florida hielt er an, um zu tanken und sich einen Fruchtsaft zu kaufen, und er fuhr gerade von den Zapfsäulen weg, als er die Nachricht hörte. Der gelangweilte und teilnahmslose Moderator der Talkshow war jetzt ganz aufgeregt, als er die neuesten Nachrichten im Fall Cayhall verkündete. F. Flynn Slattery, Richter am BundesBezirksgericht, hatte gerade Cayhalls letzte Klage, mit der er sich auf geistige Unzurechnungsfähigkeit berief, abgewiesen. Die Sache würde binnen einer Stunde an das Fünfte Berufungsgericht weitergeleitet werden. Sam Cayhall hat gerade einen Riesenschritt in Richtung Gaskammer von Mississippi getan, erklärte der Moderator dramatisch.
Anstatt Gas zu geben, verlangsamte Adam auf ein vernünftiges Tempo und nippte an seinem Fruchtsaft. Das Radio schaltete er aus. Er öffnete sein Fenster so weit, daß die warme Luft zirkulieren konnte. Viele Meilen lang verfluchte er Slattery, redete fruchtlos mit der Windschutzscheibe und ließ sich alle erdenklichen wüsten Beschimpfungen einfallen. Es war jetzt kurz nach zwölf. Slattery hätte seine Entscheidung ohne weiteres bereits fünf Stunden früher treffen können. Wenn er den Mumm dazu gehabt hätte, dann hätte er es sogar schon gestern abend tun können. Sie könnten bereits vor dem Fünften Berufungsgericht sein. Der Vollständigkeit halber verfluchte Adam auch Breck Jefferson.
Sam hatte ihm von Anfang an gesagt, daß der Staat Mississippi eine Hinrichtung wollte. Er hinkte hinter Louisiana und Texas und Florida her, sogar Alabama und Georgia und Virginia töteten in beneidenswertem Tempo. Es mußte etwas geschehen. Die Berufungen nahmen kein Ende. Die Verbrecher wurden verhätschelt. Die Verbrechen nahmen überhand. Es wurde Zeit, daß jemand hingerichtet und dem Rest des Landes gezeigt wurde, daß es diesem Staat ernst war mit der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung.
Jetzt endlich glaubte Adam ihm.
Nach einer Weile hörte er mit dem Fluchen auf. Er trank den Rest seines Saftes und warf die Flasche aus dem Fenster in einen Straßengraben, ein bewußter Verstoß gegen die Gesetze des Staates Mississippi. Es war gar nicht einfach, seine gegenwärtige Ansicht über den Staat Mississippi und
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