Die Kammer
erledigen, die in einem kleinen Handbuch aufgeführt waren, in dem stand, wie man einen zum Tode Verurteilten legal tötete, ihn für tot erklärte, den Leichnam aus der Kammer entfernte, ihn besprühte, um das Gas aus der Kleidung zu entfernen, und so weiter und so weiter.
Er hatte einmal vor einem Rechtsausschuß in Jackson ausgesagt und seine Ansichten über die Todesstrafe geäußert. Er hätte eine bessere Idee, hatte er vor tauben Ohren erklärt. Nach seinem Plan würden verurteilte Mörder in Einzelhaft im Hochsicherheitstrakt bleiben, in dem sie niemanden umbringen und aus dem sie nicht fliehen konnten und eine vorzeitige Entlassung ausgeschlossen war. Sie würden schließlich im Hochsicherheitstrakt sterben, aber nicht durch die Hand des Staates.
Die Aussage machte Schlagzeilen und hätte beinahe seine Entlassung nach sich gezogen.
Neunzehn Monate und vier Tage, dachte er, als er sich langsam mit den Fingern durch sein dichtes graues Haar fuhr und sorgfältig die neueste Entscheidung des Fünften Berufungsgerichts durchlas. Lucas Mann saß auf der anderen Seite des Schreibtisches und wartete.
»Vier Wochen«, sagte Naifeh und legte die Entscheidung beiseite. »Welche Rechtsmittel sind noch übrig?« fragte er langsam.
»Die übliche Kollektion von letzten Strohhalmen«, erwiderte Mann.
»Wann ist das hier eingegangen?«
»Heute morgen, ganz früh. Sam will das Oberste Gericht anrufen, wo man den Einspruch vermutlich ignorieren wird. Das dürfte ein oder zwei Wochen dauern.«
»Und was meinen Sie?«
»Alle begründeten Argumente sind inzwischen vorgetragen worden. Meiner Meinung nach stehen die Chancen fünfzig zu fünfzig, daß es in vier Wochen passiert.«
»Das ist ziemlich viel.«
»Irgend etwas sagt mir, daß die Sache diesmal durchgezogen wird.«
Beim ununterbrochenen Rollen des Todesstrafen-Roulettes war eine Chance von fünfzig Prozent schon fast eine Gewißheit.
Der Vorgang würde in die Wege geleitet und das Handbuch konsultiert werden. Nach Jahren endloser Eingaben und Aufschübe würden diese vier Wochen wie im Flug vergehen. »Haben Sie mit Sam gesprochen?« fragte der Direktor. »Kurz. Ich habe ihm eine Kopie der Entscheidung gebracht.«
»Garner Goodman hat mich gestern angerufen und gesagt, sie schickten einen ihrer jungen Kollegen her, damit er mit Sam redet. Haben Sie alles Nötige in die Wege geleitet?«
»Ich habe mit Garner gesprochen und auch mit dem Anwalt. Er heißt Adam Hall, und er ist jetzt bei Sam und spricht mit ihm. Bestimmt ziemlich interessant. Sam ist sein Großvater.«
»Was?«
»Sie haben richtig verstanden. Sam Cayhall ist Adam Halls Großvater väterlicherseits. Wir haben uns gestern routinemäßig mit Adam Halls Hintergrund beschäftigt, und dabei sind uns ein paar graue Flecke aufgefallen. Ich habe das FBI in Jackson angerufen, und binnen zweier Stunden fanden sich eine Menge Indizien. Ich habe ihn heute morgen zur Rede gestellt, und er hat es zugegeben. Ich habe nicht den Eindruck, daß er versucht, es geheimzuhalten.«
»Aber er hat einen anderen Namen.«
»Das ist eine lange Geschichte. Sie haben sich nicht mehr gesehen, seit Adam ein Kleinkind war. Sein Vater verließ fluchtartig den Staat, nachdem sein Vater wegen des Bombenattentats verhaftet worden war. Ging nach Westen, änderte seinen Namen, zog herum, mal mit Arbeit, mal ohne. Anscheinend der typische Verlierer. Hat 1981 Selbstmord begangen. Aber wie dem auch sei, Adam besuchte das College und hatte hervorragende Noten. Anschließend studierte er Jura in Michigan, einer der zehn besten Universitäten, und war Redakteur der Juristenzeitung dort. Dann wurde er von unseren alten Freunden bei Kravitz & Bane eingestellt, und heute morgen kreuzte er hier auf, um seinen Großvater wiederzusehen.«
Jetzt fuhr sich Naifeh mit beiden Händen durch die Haare und schüttelte den Kopf. »Wirklich wundervoll. Als ob wir noch mehr Publicity brauchten, noch mehr schwachsinnige Reporter, die noch mehr blöde Fragen stellen.«
»Sie sitzen jetzt beisammen. Ich nehme an, Sam wird dem Jungen erlauben, ihn zu vertreten. Ich hoffe es jedenfalls. Wir haben noch nie einen Verurteilten ohne Anwalt hingerichtet.«
»Wir sollten ein paar Anwälte ohne Verurteilte hinrichten«, sagte Naifeh mit einem erzwungenen Lächeln. Sein Haß auf Anwälte war legendär; doch Lucas störte sich nicht daran. Er konnte es verstehen. Er hatte einmal geschätzt, daß Naifeh öfter verklagt und vor Gericht gestellt worden war als
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