Die Kammer
Bombenanschläge gegeben, alle von der gleichen Art, alle sehr primitiv - Dynamit, Sprengkapseln, Zündschnüre. Bei Krämer lagen die Dinge anders, weil da ein Zeitzünder benutzt wurde. Wer hat dir beigebracht, wie man solche Bomben baut?«
»Hast du schon einmal einen Knallfrosch angezündet?«
»Klar.«
»Dasselbe Prinzip. Ein Streichholz an die Zündschnur, davonrennen, was das Zeug hält, und peng.«
»Der Zeitzünder ist ein bißchen komplizierter. Wer hat dir beigebracht, wie man so was anschließt?«
»Meine Mutter. Wann gedenkst du wiederzukommen?«
»Morgen.«
»Gut. Also tun wir folgendes. Ich brauche ein bißchen Zeit, um darüber nachzudenken. Im Moment möchte ich nicht reden, und vor allem habe ich keine Lust, einen Haufen Fragen zu beantworten. Laß mich dieses Dokument durchsehen, ein paar Veränderungen vornehmen, und morgen sehen wir uns wieder.«
»Das ist Zeitverschwendung.«
»Ich habe hier fast zehn Jahre verschwendet. Was ist da ein weiterer Tag?«
»Es kann sein, daß sie mich nicht wieder hereinlassen, solange ich noch nicht dein offizieller Rechtsbeistand bin. Mit diesem Besuch haben sie mir nur einen Gefallen getan.«
»Prächtige Kerle sind das, stimmt's? Sag ihnen, du wärest für die nächsten vierundzwanzig Stunden mein Anwalt. Dann lassen sie dich rein.«
»Wir haben sehr viel Arbeit vor uns, Sam. Ich möchte damit anfangen.«
»Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Wenn man mehr als neun Jahre allein in einer Zelle gesessen hat, wird man richtig gut im Nachdenken und Analysieren. Aber man kann es nicht schnell tun, verstehst du? Es dauert länger, sich Dinge durch den Kopf gehen zu lassen und sie in die richtige Reihenfolge zu bringen. Im Augenblick geht in meinem Kopf alles durcheinander. Du hast mir einen ganz schönen Schlag versetzt.«
»Okay.«
»Morgen geht es mir besser. Dann können wir reden, ich verspreche es.«
»Geht in Ordnung.« Adam schraubte die Kappe auf seinen Federhalter und steckte ihn in die Tasche. Er verstaute die Akte in seinem Koffer und entspannte sich auf seinem Stuhl. »Ich werde die nächsten paar Monate in Memphis wohnen.«
»In Memphis? Ich dachte, du wohnst in Chicago?«
»Wir haben ein kleines Büro in Memphis. Ich werde von dort aus arbeiten. Die Telefonnummer steht auf der Karte. Du kannst mich jederzeit dort anrufen.«
»Was passiert, wenn diese Sache vorbei ist?«
»Das weiß ich noch nicht. Vielleicht gehe ich nach Chicago zurück.«
»Bist du verheiratet?«
»Nein.«
»Und Carmen?«
»Auch nicht.«
»Wie ist sie?«
Adam verschränkte die Hände hinter dem Kopf und betrachtete die Rauchwolke über ihnen. »Sie ist sehr intelligent. Sehr hübsch. Hat sehr viel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter.«
»Evelyn war eine schöne Frau.«
»Sie ist immer noch schön.«
»Ich habe immer gefunden, daß Eddie viel Glück hatte, daß er sie bekommen hat. Aber von ihrer Familie habe ich nie viel gehalten.«
Und die hat bestimmt von Eddies Familie nichts gehalten, dachte Adam. Sams Kinn sank fast bis auf die Brust hinunter. Er rieb sich die Augen und zwickte sich in den Nasenrücken.
»Diese Familiensache wird uns eine Menge Arbeit machen, stimmt's?« sagte er, ohne Adam anzusehen.
»Ja.«
»Es kann sein, daß ich über manche Dinge nicht reden kann.«
»Doch, das wirst du. Du bist es mir schuldig, Sam. Und dir selbst auch.«
»Du weißt nicht, wovon du redest, und es gibt Dinge, die du bestimmt nicht hören möchtest.«
»Laß es auf den Versuch ankommen. Ich habe diese Geheimnisse satt.«
»Weshalb willst du so viel wissen?«
»Damit ich versuchen kann, irgendeinen Sinn hineinzubringen.«. »Pure Zeitverschwendung.«
»Das muß ich selbst entscheiden, oder etwa nicht?« Sam legte die Hände auf die Knie und stand langsam auf. Er tat einen tiefen Atemzug und sah Adam durch das Gitter hindurch an. »Ich möchte jetzt gehen.«
Ihre Blicke trafen sich durch die schmalen Rauten des Gitters hindurch. »Okay«, sagte Adam. »Kann ich dir etwas mitbringen?«
»Nein. Komm einfach wieder.«
»Mach ich.«
11
P acker machte die Tür zu und schloß sie ab, und zusammen traten sie aus dem schmalen Schatten vor dem Besucherzimmer in die grelle Mittagssonne. Adam schloß die Augen und blieb einen Moment stehen, dann durchwühlte er seine Taschen auf der verzweifelten Suche nach seiner Sonnenbrille. Packer wartete geduldig; er hatte seine Augen vernünftigerweise mit einer dicken, imitierten Ray-Ban-Brille bedeckt, und sein Gesicht wurde
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