Die Kammer
Sie arbeiteten sich durch die Reihen und schwitzten heftig; ihre Rücken und Brustkörbe waren klatschnaß und glänzten in der sengenden Sonne. Sie wurden von einem berittenen Wärter mit einem Gewehr bewacht. »Was machen diese Leute?«
»Hacken Baumwolle.«
»Müssen sie das?«
»Nein. Das sind alles Freiwillige. Entweder sie arbeiten hier, oder sie müssen den ganzen Tag in der Zelle sitzen.«
»Sie tragen Weiß. Sam trägt Rot. Und am Highway habe ich einen Trupp in Blau gesehen.«
»Das ist Teil des Klassifizierungssystems. Weiß bedeutet, daß diese Leute ein geringes Risiko darstellen.«
»Was haben sie verbrochen?«
»Alles mögliche. Drogen, Mord, sind rückfällig geworden, alles, was es so gibt. Aber sie haben sich gut geführt, seit sie hier sind, deshalb tragen sie Weiß und dürfen arbeiten.« Der Kleintransporter bog an einer Kreuzung ab, und die Zäune und der Stacheldraht kehrten zurück. Links von ihnen stand eine Reihe von modernen zweigeschossigen Gebäuden, die von einem gemeinsamen Zentrum aus in alle Richtungen abzweigten. Wären da nicht der Stacheldraht gewesen und die Wachtürme, hätte man den Bau für ein schlecht geplantes Studentenwohnheim halten können. »Was ist das?« fragte Adam und zeigte mit dem Finger darauf.
»Bau 30.«
»Wie viele von diesen Abteilungen gibt es hier?«
»Das weiß ich nicht genau. Wir sind ständig dabei, zu bauen und abzureißen. An die dreißig.«
»Er sieht neu aus.«
»Oh ja. Wir haben seit fast zwanzig Jahren ständig Probleme mit den Bundesgerichten, deshalb mußten wir eine Menge bauen. Es ist kein Geheimnis, daß der Mann, der eigentlich für diese Anlage hier verantwortlich ist, ein Bundesrichter war.«
»Können die Reporter bis morgen warten? Ich muß erst wissen, was Sam zu sagen hat. Ich möchte nicht jetzt mit ihnen reden, und dann läuft morgen alles schief.«
»Ich nehme an, ich kann sie noch einen Tag hinhalten. Aber lange werden sie nicht warten.«
Sie passierten den letzten Wachturm, und Bau 30 verschwand. Dann fuhren sie mindestens drei Kilometer, bevor über den Feldern der Stacheldraht eines weiteren Baus in Sicht kam.
»Ich habe heute morgen mit dem Direktor gesprochen, nachdem Sie hier eingetroffen waren«, sagte Lucas. »Er sagte, er würde Sie gern kennenlernen. Sie werden ihn mögen. Er haßt Hinrichtungen, müssen Sie wissen. Er hatte gehofft, in knapp zwei Jahren in Pension gehen zu können, ohne noch eine weitere durchstehen zu müssen, aber jetzt wird es ja wohl doch anders kommen.«
»Lassen Sie mich raten. Er tut nur seine Pflicht, stimmt's?«
»Wir alle hier tun unsere Pflicht.«
»Genau das meine ich. Ich habe allmählich den Eindruck, daß mir jedermann hier auf den Rücken klopfen und mit betrübter Stimme über das reden will, was mit dem armen alten Sam passieren wird. Niemand will ihn umbringen, aber ihr tut alle nur eure Pflicht.«
»Es gibt eine Menge Leute, die Sam tot sehen wollen.«
»Wer?«
»Der Gouverneur und der Justizminister unseres Staates. Den Gouverneur kennen Sie sicher, aber der Justizminister ist derjenige, vor dem Sie sich vorsehen müssen. Er will natürlich eines Tages Gouverneur werden. Aus irgendeinem Grund haben wir in diesem Staat einen ganzen Haufen von diesen jungen, fürchterlich ehrgeizigen Politikern gewählt, die einfach nicht stillsitzen können.«
»Er heißt Roxburgh, richtig?«
»So ist es. Er liebt Kameras, und ich rechne damit, daß er heute nachmittag eine Pressekonferenz abhalten wird. Wenn er seiner Natur treu bleibt, wird er behaupten, der Sieg vor dem Fünften Berufungsgericht wäre ausschließlich sein Verdienst, und versprechen, daß er alles daransetzen wird, daß Sam in vier Wochen hingerichtet wird. Es ist nämlich sein Büro, das diese Dinge organisiert. Und dann würde es mich nicht überraschen, wenn der Gouverneur selbst mit ein oder zwei Kommentaren in den Abendnachrichten auftreten würde. Worauf ich hinaus will, Adam, ist folgendes - von oben wird ein ungeheurer Druck ausgeübt werden, daß Sam nicht noch einmal ein Aufschub gewährt wird. Sie wollen ihn tot sehen, um politisches Kapital daraus schlagen zu können. Sie werden aus der Sache herausholen, was nur irgend geht.«
Adam betrachtete im Vorbeifahren die nächste Abteilung. Auf einer Betonfläche zwischen zwei Gebäuden war ein Basketballspiel im Gange mit mindestens einem Dutzend Spielern auf jeder Seite. Alle waren schwarz. Am Rand des Spielfeldes stemmten massige Männer Gewichte.
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