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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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durch die breite Krempe des offiziellen Parchman-Hutes geschützt. Die Luft war erstickend, und man konnte sie fast sehen. Als Adam die Sonnenbrille endlich in seinem Aktenkoffer gefunden und aufgesetzt hatte, waren seine Arme und sein Gesicht schweißbedeckt. Er kniff die Augen zusammen und verzog das Gesicht, und sobald er imstande war, tatsächlich etwas zu sehen, folgte er Packer über den Backsteinweg und das ausgedörrte Gras bis vor das Gebäude.
    »Ist Sam okay?« fragte Packer. Seine Hände steckten in den Taschen, und er schien es nicht eilig zu haben.
    »Ich denke schon.«
    »Haben Sie Hunger?«
    »Nein«, erwiderte Adam mit einem Blick auf die Uhr. Es war fast eins. Er wußte nicht, ob Packer ihm Gefängnisessen anbot oder etwas anderes, aber er wollte kein Risiko eingehen.
    »Schade. Heute ist Mittwoch, und das bedeutet Steckrüben mit Maisbrot. Schmeckt gut.«
    »Danke.« Adam war überzeugt, daß er jetzt, sozusagen genetisch bedingt, eigentlich einen Heißhunger auf Steckrüben mit Maisbrot verspüren sollte. Das heutige Menü müßte ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Aber er fühlte sich als Kalifornier, und seines Wissens waren ihm Steckrüben noch nie begegnet. »Vielleicht nächste Woche«, sagte er; er konnte kaum glauben, daß man ihm ein Mittagessen im Todestrakt anbot.
    Sie standen vor dem ersten der beiden Tore. Als es aufglitt, sagte Packer, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen: »Wann kommen Sie wieder?«
    »Morgen.«
    »So bald?«
    »Ja. Sie werden mich in nächster Zeit häufig hier sehen.«
    »Nun, hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.« Er lächelte breit und ging davon.
    Als Adam durch das zweite Tor ging, kam der rote Eimer herunter. Er machte einen Meter über der Erde halt, und Adam durchwühlte die Schlüsselkollektion auf dem Boden, bis er seine eigenen gefunden hatte. Er schaute nicht zu dem Wachturm hinauf.
    Ein weißer Kleintransporter mit offizieller Kennzeichnung auf der Tür und an den Seiten wartete neben Adams Wagen. Das Fenster auf der Fahrerseite wurde heruntergekurbelt, und Lucas Mann lehnte sich heraus. »Haben Sie es eilig?«
    Adam schaute wieder auf die Uhr. »Nicht sehr.«
    »Gut. Steigen Sie ein. Ich muß mit Ihnen reden. Wir machen eine kleine Rundfahrt über das Gelände.«
    Adam lag nichts an einer kleinen Rundfahrt über das Gelände, aber er hatte ohnehin vorgehabt, noch in Manns Büro vorbeizuschauen. Er öffnete die Beifahrertür und warf sein Jackett und seinen Aktenkoffer auf den Rücksitz.
    Erfreulicherweise lief die Klimaanlage auf Hochtouren. Lucas, kühl aussehend und immer noch makellos gestärkt, wirkte ein wenig merkwürdig am Steuer eines Kleintransporters. Er lenkte den Wagen vom HST fort und steuerte auf die Hauptstraße zu.
    »Wie ist es gelaufen?« fragte er. Adam versuchte, sich daran zu erinnern, was genau Sam über Lucas Mann gesagt hatte. Irgend etwas in dem Sinne, daß man ihm nicht trauen durfte.
    »Okay, nehme ich an«, erwiderte er, absichtlich vage.
    »Werden Sie ihn vertreten?«
    »Wahrscheinlich. Er will es sich noch eine Nacht durch den Kopf gehen lassen. Und er möchte, daß ich morgen wiederkomme. «
    »Kein Problem, aber Sie müssen zusehen, daß er morgen unterschreibt. Wir brauchen eine schriftliche Vollmacht von ihm.«
    »Ich bekomme sie morgen. Wo fahren wir hin?« Sie bogen nach links ab, weg von der Vorderfront des Gefängnisses. Sie hatten das letzte der hübschen weißen Häuser mit schattenspendenden Bäumen und Blumenbeeten passiert und fuhren jetzt durch Baumwoll- und Bohnenfelder, die sich ins Endlose erstreckten.
    »Eigentlich nirgendwohin. Ich dachte nur, Sie würden gern etwas von unserem Gefängnis sehen. Wir müssen ein paar Dinge erörtern.«
    »Ich höre.«
    »Die Entscheidung des Fünften Berufungsgerichts kam am späten Vormittag in den Nachrichten, und wir hatten schon jetzt mindestens drei Anrufe von Reportern. Sie riechen natürlich Blut, und sie wollen wissen, ob das das Ende von Sam bedeuten könnte. Ich kenne einige dieser Leute, hatte schon früher bei anderen Hinrichtungen mit ihnen zu tun. Ein paar sind anständige Burschen, aber die meisten sind ausgesprochene Widerlinge. Aber wie dem auch sei, alle erkundigen sich nach Sam und fragen, ob er einen Anwalt hat oder nicht. Wird er sich bis zum Ende selbst vertreten? Und so weiter und so weiter, Sie wissen schon.«
    Auf einem Feld rechts von ihnen sah er eine große Gruppe von Häftlingen in weißen Hosen und mit bloßem Oberkörper.

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