Die Kammer
Unter ihnen entdeckte Adam auch ein paar Weiße.
Lucas bog auf eine andere Straße ab. »Es gibt noch einen weiteren Grund«, fuhr er fort. »Louisiana richtet hin, was das Zeug hält. In Texas waren es in diesem Jahr bereits sechs, in Florida fünf. Wir haben seit über zwei Jahren niemanden mehr exekutiert. Wir sind zu lahm, behaupten manche Leute. Es wird Zeit, daß wir diesen anderen Staaten beweisen, daß uns an einer guten Regierung ebensoviel liegt wie ihnen. Erst letzte Woche haben in Jackson Anhörungen vor einem Gesetzgebungskomitee stattgefunden. Es gab alle möglichen wütenden Statements von führenden Persönlichkeiten darüber, daß diese Dinge endlos hingeschleppt würen. Und zu niemandes Überraschung kam man zu dem Schluß, daß die Bundesgerichte daran schuld sind. Es gibt eine Menge Druck, jemanden zu töten. Und zufällig ist Sam als nächster an der Reihe.«
»Wer kommt nach Sam?«
»Eigentlich niemand. Es kann durchaus zwei Jahre dauern, bis wir wieder so nahe an eine Hinrichtung herankommen. Die Bussarde kreisen.«
»Weshalb erzählen Sie mir das?«
»Ich bin kein Feind. Ich bin nicht der Staat Mississippi, sondern der Anwalt dieses Gefängnisses. Und Sie sind noch nie zuvor hiergewesen. Deshalb dachte ich, Sie würden diese Dinge gern wissen.«
»Danke«, sagte Adam. Obwohl er nicht um diese Informationen gebeten hatte, waren sie auf jeden Fall nützlich.
»Ich werde Ihnen helfen, wo immer ich kann.«
Am Horizont waren die Dächer von Gebäuden zu sehen. »Ist das dort der vordere Teil des Gefängnisses?« fragte Adam.
»Ja.«
»Ich würde jetzt gern abfahren.«
Das Büro von Kravitz & Bane in Memphis nahm zwei Stockwerke in einem Gebäude ein, das Brinkley Plaza hieß, um 1920 erbaut worden war und in der Innenstadt an der Ecke von Main und Monroe lag. Die Main Street wurde auch die MidAmerica Mall genannt. Sie war für Fahrzeuge aller Art gesperrt worden, als man versuchte, die Innenstadt neu zu beleben, und an die Stelle des Asphalts waren Platten, Springbrunnen und dekorative Bäume getreten. Jetzt war die Mall eine Fußgängerzone.
Auch das Gebäude war neu belebt und geschmackvoll renoviert worden. Das Foyer bestand aus Marmor und Bronze. Die Büros von Kravitz & Bane waren groß und aufwendig ausgestattet mit antiken Möbeln, eichengetäfelten Wänden und Perserteppichen.
Eine hübsche junge Sekretärin führte Adam in das Eckbüro von Baker Cooley, dem geschäftsführenden Partner. Sie machten sich miteinander bekannt, reichten sich die Hand und bewunderten die Sekretärin, als sie das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zumachte. Cooley verfolgte sie mit einem etwas zu lüsternen Blick und schien den Atem anzuhalten, bis die Tür vollständig geschlossen und nichts mehr von ihr zu sehen war.
»Willkommen im Süden«, sagte Cooley, endlich ausatmend, und ließ sich auf seinem noblen, mit burgunderrotem Leder bezogenen Drehsessel nieder.
»Danke. Ich nehme an, Sie haben mit Garner Goodman gesprochen.«
»Gestern. Zweimal. Er hat mich ins Bild gesetzt. Wir haben ein hübsches kleines Konferenzzimmer am Ende dieses Flurs mit einem Telefon, einem Computer und massenhaft Platz. Es gehört Ihnen, solange Sie hier sind.«
Adam nickte und sah sich in dem Büro um. Cooley war Anfang Fünfzig, ein gepflegter Mann mit einem aufgeräumten Schreibtisch und einem ordentlichen Zimmer. Er sprach und gestikulierte schnell, und mit seinem grauen Haar und den dunklen Ringen unter den Augen sah er aus wie ein überlasteter Buchprüfer. »Welche Art von Arbeit wird hier getan?« fragte Adam.
»Kaum Prozesse und überhaupt keine Kriminalfälle«, erwiderte Cooley schnell, als wäre es Verbrechern nicht gestattet, ihre schmutzigen Füße auf den dicken Teppichboden und die teuren Brücken dieses Büros zu setzen. Adam erinnerte sich an Goodmans Beschreibung der Filiale in Memphis - eine Nobelfirma mit zwölf guten Anwälten, von der niemand mehr wußte, weshalb Kravitz & Bane sie vor Jahren übernommen hatte. Aber die zusätzliche Adresse machte sich gut auf den Briefbögen.
»Meistens Firmenangelegenheiten«, fuhr Cooley fort. »Wir vertreten einige alte Banken, und außerdem beraten wir Regierungsbehörden hier in der Stadt bei Anlagegeschäften.«
Wie aufregend, dachte Adam.
»Die Kanzlei besteht seit hundertundvierzig Jahren und ist, nebenbei bemerkt, die älteste in Memphis. Wurde bereits vor dem Bürgerkrieg gegründet. Sie hat sich mehrmals gespalten und ist ins Trudeln
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