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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Fassungslos. Bestürzt. Eddie rief an und sagte, Sam hätte ihn und Mutter beauftragt, nach Cleveland zu fahren und seinen Wagen zu holen. Ich erinnere mich, daß Eddie immer wieder sagte, nun hätte er es schließlich doch getan. Nun hätte er noch jemanden umgebracht. Eddie weinte, und ich fing auch an zu weinen, und ich erinnere mich, daß es grauenhaft war.«
    »Sie haben den Wagen geholt.«
    »Ja. Niemand hat je davon erfahren. Von dem Wagen war bei keinem der drei Prozesse die Rede. Wir hatten Angst, die Polizei würde davon erfahren, und Eddie und meine Mutter müßten vor Gericht aussagen. Aber dazu ist es nie gekommen.«
    »Wo war ich?«
    »Laß mich überlegen. Ihr habt damals in einem kleinen weißen Haus in Clanton gewohnt, und ich bin sicher, daß du dort warst, zusammen mit Evelyn. Ich glaube, damals hat sie nicht gearbeitet. Aber das weiß ich nicht mehr genau.«
    »Was hat mein Vater damals gemacht?«
    »Ich erinnere mich nicht. Eine Zeitlang war er Geschäftsführer in einem Laden für Autoersatzteile in Clanton, aber er hat seine Jobs nie lange behalten.«
    Das Video lief weiter, mit Aufnahmen von Sam, wie er ins Gefängnis und ins Gericht und wieder heraus eskortiert wurde, dann kam die Meldung, daß er offiziell des Mordes angeklagt worden war. Adam hielt das Band wieder an. »Hat einer von euch Sam im Gefängnis besucht?«
    »Nein. Nicht, solange er in Greenville war. Seine Kaution war sehr hoch, eine halbe Million Dollar, glaube ich.«
    »Es war eine halbe Million.«
    »Und anfangs hat die Familie versucht, das Geld aufzutreiben, um ihn herauszuholen. Natürlich wollte Mutter, daß ich Phelps dazu überredete, einen Scheck auszuschreiben. Und natürlich hat Phelps nein gesagt. Er wollte nichts mit der Sache zu tun haben. Wir hatten einen heftigen Streit, aber im Grunde konnte ich ihm keinen Vorwurf daraus machen. Daddy blieb im Gefängnis. Ich erinnere mich, daß einer seiner Brüder versuchte, eine Hypothek auf sein Land aufzunehmen, aber es funktionierte nicht. Eddie wollte ihn nicht im Gefängnis besuchen, und Mutter war dazu nicht imstande. Ich weiß auch nicht, ob Sam uns überhaupt dort haben wollte.«
    »Wann sind wir aus Clanton weggezogen?« Lee beugte sich vor und holte ihr Weinglas vom Tisch. Sie trank einen Schluck und dachte einen Augenblick nach. »Da war er ungefähr seit einem Monat im Gefängnis, glaube ich. Eines Tages fuhr ich hinunter, um Mutter zu besuchen, und sie erzählte mir, daß Eddie davon redete, zu verschwinden. Ich habe es nicht geglaubt. Sie sagte, er sei beschämt und fühle sich gedemütigt, und er könnte den Leuten im Ort nicht mehr ins Gesicht sehen. Er hatte gerade wieder einmal seinen Job verloren und weigerte sich, das Haus zu verlassen. Ich rief an und sprach mit Evelyn. Eddie wollte nicht an den Apparat kommen. Sie sagte, er wäre deprimiert und zutiefst betroffen und all das, und ich erinnere mich, daß ich sagte, uns allen ginge es nicht anders. Ich fragte sie, ob sie denn wirklich weggehen wollten, und sie sagte eindeutig nein. Ungefähr eine Woche später rief Mutter abermals an und sagte, deine Eltern hätten ihre Sachen gepackt und wären mitten in der Nacht verschwunden. Der Vermieter meldete sich und wollte sein Geld, und niemand hatte Eddie gesehen. Das Haus war leer.«
    »Ich wollte, ich könnte mich an etwas davon erinnern.«
    »Du warst damals erst drei Jahre alt, Adam. Als ich dich das letztemal sah, spieltest du neben der Garage des kleinen weißen Hauses. Du warst ein süßes Kerlchen.«
    »Danke für die Blumen.«
    »Mehrere Wochen vergingen, dann rief Eddie eines Tages an und bat mich, Mutter zu sagen, daß ihr in Texas wäret und es euch gut ginge.«
    »In Texas?«
    »Ja. Viel später hat Evelyn mir erzählt, daß ihr alle irgendwie nach Westen gedriftet seid. Sie war schwanger und sehnte sich nach einem festen Wohnsitz, egal wo. Dann rief er wieder an und sagte, ihr wäret in Kalifornien. Das war für viele Jahre der letzte Anruf.«
    »Jahre?«
    »Ja. Ich versuchte, ihn zu überreden, wieder nach Hause zu kommen, aber davon wollte er nichts hören. Schwor, er würde nie zurückkehren, und ich vermute, es war ihm ernst damit.«
    »Wo waren die Eltern meiner Mutter?«
    »Das weiß ich nicht. Sie stammte nicht aus Ford County. Ich glaube, sie lebten in Georgia, vielleicht auch in Florida.«
    »Ich habe sie nie kennengelernt.«
    Er drückte wieder auf den Knopf, und das Video lief weiter. Der Beginn des ersten Prozesses in Nettles County.

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