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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Die Kamera schwenkte über den Rasen vor dem Gerichtsgebäude mit den Gruppen von Klansmitgliedern und Reihen von Polizisten und Unmengen von Zuschauern.
    »Das ist unglaublich«, sagte Lee.
    Er hielt den Film wieder an. »Bist du zu dem Prozeß gefahren?«
    »Einmal. Ich habe mich ins Gericht geschlichen und mir die Schlußplädoyers angehört. Er hatte uns bei allen drei Prozessen verboten, dabeizusein. Mutter konnte nicht. Ihr Blutdruck spielte verrückt, und sie mußte Unmengen von Medikamenten schlucken. Sie war praktisch bettlägerig.«
    »Wußte Sam, daß du dort warst?«
    »Nein. Ich saß ganz hinten, mit einem Tuch um den Kopf. Er hat mich nicht gesehen.«
    »Was hat Phelps gemacht?«
    »Sich in seinem Büro versteckt, sich um seine Geschäfte gekümmert, gebetet, daß niemand herausfinden würde, daß Sam Cayhall sein Schwiegervater war. Nicht lange nach diesem Prozeß haben wir uns das erstemal getrennt.«
    »Was ist dir von dem Prozeß, vom Gerichtssaal in Erinnerung geblieben?«
    »Ich erinnere mich, daß ich gedacht habe, daß Sam eine gute Jury bekommen hatte, Leute seines Schlages. Ich weiß nicht, wie sein Anwalt das geschafft hat, aber sie haben zwölf der stursten Farmer ausgewählt, die sie auftreiben konnten. Ich habe beobachtet, wie die Geschworenen auf den Ankläger reagierten und genau zuhörten, was Sams Verteidiger vorbrachte.«
    »Clovis Brazelton.«
    »Er war ein guter Redner, und sie ließen sich kein Wort entgehen. Ich war richtig bestürzt, als die Geschworenen sich nicht einigen konnten und das Verfahren für ungültig erklärt wurde. Ich war überzeugt gewesen, daß er freigesprochen werden würde. Ich glaube, er war genauso bestürzt.«
    Das Video zeigte jetzt Reaktionen auf den ungültigen Prozeß, ausführliche Kommentare von Clovis Brazelton, ein weiteres Bild von Sam beim Verlassen des Gerichtsgebäudes. Dann begann der zweite Prozeß, der dem ersten in vielerlei Hinsicht so ähnlich gewesen war.
    »Wie lange hast du daran gearbeitet?« fragte sie. »Sieben Jahre. Ich war in meinem ersten Jahr in Pepperdine, als mir die Idee kam.« Er ließ die erbarmungswürdige Szene mit dem nach dem zweiten Prozeß aus seinem Rollstuhl stürzenden Marvin Kramer schnell durchlaufen und hielt den Film dann bei dem lächelnden Gesicht einer Moderatorin wieder an, die über die Eröffnung eines dritten Verfahrens gegen den legendären Sam Cayhall redete. Das war 1981.
    »Sam war dreizehn Jahre lang ein freier Mann«, sagte Adam. »Was hat er getan?«
    »Er lebte für sich allein, tat ein bißchen Farmarbeit, versuchte, finanziell über die Runden zu kommen. Mir gegenüber hat er das Attentat oder irgendwelche anderen Klan-Aktivitäten nie erwähnt, aber er genoß die Achtung, die man ihm in Clanton entgegenbrachte. Da unten war er so etwas wie eine Lokalgröße, und das schien ihm zu gefallen. Mit Mutters Gesundheit ging es weiter bergab, und er blieb zu Hause und kümmerte sich um sie.«
    »Er hat nie daran gedacht, einfach zu verschwinden?«
    »Nicht ernsthaft. Er war überzeugt, daß seine rechtlichen Probleme vorbei waren. Er hatte zweimal vor Gericht gestanden und war beide Male davongekommen. Ende der sechziger Jahre wäre keine Jury auf die Idee gekommen, einen Klansmann zu verurteilen. Er glaubte, er wäre unsichtbar. Er blieb in Clanton, ging dem Klan aus dem Wege und führte ein friedliches Leben. Ich dachte, er würde seine letzten Lebensjahre damit zubringen, Tomaten anzubauen und Brassen zu angeln.«
    »Hat er je nach meinem Vater gefragt?«
    Sie trank den Rest ihres Weins und stellte das leere Glas auf den Tisch. Lee war nie der Gedanke gekommen, daß sie eines Tages aufgefordert werden könnte, sich in allen Einzelheiten an so viel von dieser traurigen kleinen Geschichte zu erinnern. Sie hatte sich sehr viel Mühe gegeben, sie zu vergessen. »Ich erinnere mich, daß er während des ersten Jahres, als er wieder zu Hause war, gelegentlich fragte, ob ich etwas von meinem Bruder gehört hätte. Natürlich hatte ich nichts von ihm gehört. Wir wußten, daß ihr irgendwo in Kalifornien wart, und wir hofften, daß es euch gutging. Sam ist ein sehr stolzer und starrköpfiger Mann, Adam. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, euch ausfindig zu machen und Eddie zu bitten, wieder nach Hause zu kommen. Wenn Eddie sich seiner Familie schämte, dann konnte er von Sam aus in Kalifornien bleiben.« Sie hielt inne und ließ sich tiefer in die Couch sinken. »1973 wurde festgestellt, daß Mutter

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