Die Kammer
bin sicher, daß Eddie sie in den Medien verfolgt hat.«
Sie betrachteten die restlichen Abschnitte des dritten Prozesses schweigend. McAllisters gutaussehendes Gesicht war überall, und Adam wünschte sich mehr als einmal, er hätte mehr herausgeschnitten. Sam wurde zum letztenmal in Handschellen abgeführt, dann war der Bildschirm leer.
»Hat irgend jemand sonst das gesehen?« fragte Lee.
»Nein. Du bist die erste.«
»Wie hast du das alles zusammenbekommen?«
»Es hat Zeit gekostet, ein bißchen Geld und eine Menge Arbeit.«
»Es ist unglaublich.«
»Als ich im ersten Jahr in der High School war, hatten wir einen tollen Lehrer für politische Wissenschaften. Er erlaubte uns, Zeitungen und Zeitschriften anzuschleppen und über aktuelle Probleme zu diskutieren. Jemand brachte die Los Angeles Times mit; auf der Titelseite stand eine Story über den bevorstehenden Prozeß gegen Sam Cayhall in Mississippi. Wir diskutierten ausführlich darüber, dann verfolgten wir den Prozeß. Alle, auch ich, waren froh, als er für schuldig befunden wurde. Aber es gab eine heftige Debatte über die Todesstrafe. Ein paar Wochen später war mein Vater tot, und du hast mir endlich die Wahrheit erzählt. Ich hatte eine Heidenangst, daß meine Freunde es herausfinden könnten.«
»Haben sie es herausgefunden?«
»Natürlich nicht. Ich bin ein Cayhall und folglich ein Meister im Hüten von Geheimnissen.«
»Jetzt wird es nicht viel länger ein Geheimnis bleiben.«
»Nein, das wird es nicht.«
Es folgte eine lange Pause; sie starrten auf den leeren Bildschirm. Schließlich drückte Adam auf den Power-Knopf, und der Fernseher schaltete sich aus. Dann warf er die Fernbedienung auf den Tisch. »Es tut mir leid, falls das peinlich für dich werden sollte. Wirklich. Ich wollte, es gäbe eine Möglichkeit, das zu vermeiden.«
»Du verstehst das nicht.«
»Ich weiß. Und du kannst es nicht erklären, stimmt's? Hast du Angst vor Phelps und seiner Familie?«
»Ich verabscheue Phelps und seine Familie.«
»Aber du lebst von ihrem Geld.«
»Das Geld habe ich mir verdient. Ich habe es siebenundzwanzig Jahre mit ihm ausgehalten.«
»Hast du Angst, daß die gute Gesellschaft nicht mehr mit dir redet? Daß sie dich aus dem Country Club hinauswerfen?«
»Hör auf, Adam.«
»Tut mir leid«, sagte er. »Es war ein harter Tag. Ich verstecke mich nicht länger, Lee. Ich stelle mich meiner Vergangenheit, und vermutlich erwarte ich von jedermann, daß er auch den Mut dazu hat. Es tut mir leid.«
»Wie sieht er aus?«
»Ein sehr alter Mann. Unmengen von Falten und bleiche Haut. Er ist zu alt, um in einem Käfig eingesperrt zu werden.«
»Ich weiß noch, wie ich ein paar Tage vor seinem letzten Prozeß mit ihm gesprochen habe. Ich habe ihn gefragt, warum er nicht einfach abhaut, mitten in der Nacht verschwindet und sich irgendwo versteckt, in Südamerika zum Beispiel. Und weißt du was?«
»Na?«
»Er hat gesagt, er hätte daran gedacht. Mutter war seit mehreren Jahren tot. Eddie war fort. Er hatte Bücher gelesen über Mengele und Eichmann und andere Naziverbrecher, die in Südamerika untergetaucht waren. Er erwähnte sogar Säo Paulo, sagte, es wäre eine Stadt mit zwanzig Millionen Einwohnern, in der es von Flüchtlingen aller Art nur so wimmelte. Er hatte einen Freund, auch jemand vom Klan, nehme ich an, der für die nötigen Papiere sorgen und ihm helfen konnte, sich zu verstecken. Er hat gründlich darüber nachgedacht.«
»Ich wollte, er hätte es getan. Dann wäre mein Vater vielleich noch am Leben.«
»Zwei Tage bevor er nach Parchman gebracht wurde, habe ich ihn im Gefängnis von Greenville besucht. Es war unsere letzte Begegnung. Ich habe ihn gefragt, warum er nicht geflüchtet war. Er sagte, er hätte sich nie vorstellen können, daß man ihn zum Tode verurteilen würde. Ich konnte einfach nicht glauben, daß er jahrelang ein freier Mann gewesen war und ohne weiteres hätte verschwinden können. Es war ein großer Fehler, sagte er, daß er nicht untergetaucht war. Ein Fehler, der ihn das Leben kosten würde.«
Adam stellte die Popcornschüssel auf den Tisch und neigte sich langsam zu ihr hinüber. Sein Kopf ruhte auf ihrer Schulter. Sie nahm seine Hand. »Tut mir leid, daß du da jetzt mittendrin steckst«, flüsterte sie.
»Er sah so mitleiderregend aus, wie er mir da in seinem roten Overall gegenübersaß.«
12
C lyde Packer goß eine großzügig bemessene Menge eines starken Gebräus in einen Becher, auf dem sein Name
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