Die Kammer
danach kommen Reiseprogramme und Einkaufen per Telefon. Die Afrikaner ziehen ›Soul Train‹ vor.«
»Lee macht sich Sorgen um dich, Sam. Ich soll dir sagen, daß sie an dich denkt und für dich betet.«
Sam biß sich auf die Unterlippe und schaute auf den Boden. Er nickte langsam, sagte aber nichts.
»Ich werde in den nächsten Wochen bei ihr wohnen.«
»Ist sie immer noch mit diesem Burschen verheiratet?«
»Halb und halb. Sie möchte dich besuchen.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Sam erhob sich langsam von seinem Stuhl und klopfte an die Tür hinter sich. Er drehte sich um und sah Adam durch das Gitter hindurch an. Sie musterten sich gegenseitig, bis ein Wärter erschien und Sam abführte.
15
»Der junge Mann ist vor einer Stunde abgefahren, mit seiner Vollmacht, obwohl ich sie nicht gesehen habe«, sagte Lucas Mann zu Philip Naifeh, der an seinem Fenster stand und einen Trupp Müllsammler am Highway beobachtete. Naifeh hatte Kopfschmerzen und Rückenschmerzen; überhaupt lag ein insgesamt scheußlicher Vormittag hinter ihm, zu dem auch drei frühmorgendliche Anrufe des Gouverneurs gehört hatten und zwei von Roxburgh, dem Justizminister. Natürlich war Sam der Anlaß dieser Anrufe gewesen. »Also hat er jetzt einen Anwalt«, sagte Naifeh und drückte sanft mit einer Faust auf sein Kreuz.
»Ja, und mir gefällt der junge Mann. Er hat bei mir hereingeschaut, bevor er abgefahren ist, und er sah aus, als wäre er von einem Lastwagen überfahren worden. Ich glaube, die beiden haben es nicht leicht miteinander, er und sein Großvater.«
»Für den Großvater wird es noch schlimmer werden.«
»Für uns alle wird es noch schlimmer werden.«
»Wissen Sie, was der Gouverneur von mir wollte? Er hat gefragt, ob er eine Kopie unseres Handbuchs über die Durchführung einer Hinrichtung haben könnte. Ich habe gesagt, nein, er könnte keine Kopie haben. Er sagte, er wäre der Gouverneur dieses Staates, und es wäre nicht mehr als recht und billig, wenn er eine Kopie bekäme. Ich versuchte, ihm zu erklären, daß es im Grunde gar kein Handbuch ist, sondern nur eine kleine Kollektion von einzelnen Blättern in einem schwarzen Hefter, die jedesmal, wenn wir jemanden in die Kammer schicken, von vorn bis hinten umgearbeitet wird. Wie es genannt wird, wollte er wissen, und ich sagte ihm, daß es keinen offiziellen Namen hat, weil es erfreulicherweise nicht oft benutzt wird, und dann fiel mir ein, daß ich selbst es gewöhnlich das kleine schwarze Buch nenne. Er bedrängte mich ein wenig heftiger, ich wurde ein wenig wütender, wir legten auf, und eine Viertelstunde später rief sein Anwalt, dieser bucklige kleine Furz mit der Brille, die ihm die Nase einklemmt... «
»Larramore.«
»Larramore rief an und sagte, gemäß Paragraph soundso hätte der Gouverneur ein Recht auf eine Kopie des Handbuchs. Ich ließ ihn zehn Minuten warten, schlug die genannten Paragraphen nach, dann lasen wir sie gemeinsam, und natürlich hat er gelogen und geblufft und sich eingebildet, ich wäre schwachsinnig. Im Gesetz steht nichts dergleichen. Ich legte den Hörer auf. Zehn Minuten später rief der Gouverneur wieder an, zuckersüß und aalglatt, und sagte, ich sollte das kleine schwarze Buch vergessen, ihm läge sehr daran, daß Sams verfassungsmäßige Rechte gewahrt würden, und er wollte nur, daß ich ihn auf dem laufenden hielte. Ein reizender Mann.« Naifeh verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, preßte die andere Faust ins Kreuz und schaute weiterhin aus dem Fenster.
»Dann, eine halbe Stunde später, ruft Roxburgh an. Und wissen Sie, was er wollte? Er wollte wissen, ob ich mit dem Gouverneur gesprochen hätte. Roxburgh bildet sich nämlich ein, wir wären dicke Freunde, alte Parteigenossen, und deshalb könnten wir einander vertrauen. Er erzählte mir also, vertraulich natürlich, von Freund zu Freund, er glaube, der Gouverneur könnte versuchen, diese Hinrichtung für seine eigenen politischen Zwecke auszunützen.«
»Unvorstellbar!« höhnte Lucas.
»Ja. Ich habe Roxburgh gesagt, daß ich so etwas von unserem Gouverneur einfach nicht glauben könnte. Ich war todernst, und er wurde todernst, und wir versprachen uns gegenseitig, den Gouverneur genau im Auge zu behalten, und wenn wir feststellen sollten, daß er versucht, die Situation zu manipulieren, würden wir sofort miteinander telefonieren. Roxburgh sagte, es gäbe etliches, das er unternehmen könnte, um den Gouverneur zur Räson zu bringen, falls er übers
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