Die Kammer
Ihnen ein paar Fragen beantworten, aber nicht viele. Ich bin hier, weil ich möchte, daß die Fakten stimmen.«
»In Ordnung. Ist Sam Cayhall Ihr Großvater?«
»Sam Cayhall ist mein Mandant, und er hat mich angewiesen, nicht mit der Presse zu reden. Das ist der Grund dafür, daß Sie mich nicht zitieren dürfen. Ich bin nur hier, um zu bestätigen oder zu bestreiten. Das ist alles.«
»Okay. Aber er ist Ihr Großvater?«
»Ja.«
Marks holte tief Luft und genoß diese unglaubliche Tatsache, die zweifellos zu einer außerordentlichen Story führte. Er konnte schon die Schlagzeilen sehen.
Dann wurde ihm bewußt, daß er noch ein paar weitere Fragen stellen sollte. Er holte einen Stift aus der Tasche. »Wer ist Ihr Vater?«
»Mein Vater ist tot.«
Eine lange Pause. »Okay. Also ist Sam der Vater Ihrer Mutter?«
»Nein. Sam ist der Vater meines Vaters.«
»Weshalb haben Sie einen anderen Nachnamen?«
»Weil mein Vater seinen Namen geändert hat.«
»Weshalb?«
»Diese Frage möchte ich nicht beantworten. Die Einzelheiten der Familiengeschichte gedenke ich für mich zu behalten.«
»Sind Sie in Clanton aufgewachsen?«
»Nein. Ich wurde dort geboren, ging aber von dort weg, als ich drei Jahre alt war. Meine Eltern zogen nach Kalifornien. Dort bin ich aufgewachsen.«
»Also waren Sie nicht in der Nähe von Sam Cayhall?«
»Nein.«
»Kannten Sie ihn?«
»Ich bin ihm gestern zum erstenmal begegnet.«
Marks überlegte sich seine nächste Frage, und zum Glück kam das Bier. Sie tranken und sagten nichts.
Er starrte auf seinen Notizblock, schrieb etwas, dann fragte er:
»Wie lange sind Sie schon bei Kravitz & Bane?«
»Fast ein Jahr.«
»Wie lange arbeiten Sie schon an dem Cayhall-Fall?«
»Seit anderthalb Tagen.«
Er tat einen langen Zug und musterte Adam, als erwartete er eine Erklärung. »Also, Mr. Hall...«
»Ich heiße Adam.«
»Okay, Adam. Mir scheint, da sind eine Menge Lücken. Könnten Sie mir ein bißchen helfen, sie auszufüllen?«
»Nein.«
»Auch gut. Ich habe irgendwo gelesen, daß Cayhall sich vor kurzem von Kravitz & Bane getrennt hat. Haben Sie an dem Fall gearbeitet, als das passierte?«
»Ich sagte es gerade. Ich arbeite seit anderthalb Tagen an dem Fall.«
»Wann waren Sie zum erstenmal im Trakt?«
»Gestern.«
»Hat er gewußt, daß Sie kommen würden?«
»Dazu möchte ich mich nicht äußern.«
»Weshalb nicht?«
»Das ist streng vertraulich. Ich denke nicht daran, über meine Besuche im Trakt zu sprechen. Ich werde nur solche Dinge bestätigen oder bestreiten, die Sie anderswo nachprüfen können.«
»Hat Sam noch mehr Kinder?«
»Ich spreche nicht über Familienangelegenheiten. Außerdem bin ich sicher, daß Ihre Zeitung schon früher darüber geschrieben hat.«
»Das ist lange her.«
»Dann suchen Sie es heraus.«
Ein weiterer langer Schluck und ein weiterer langer Blick auf den Notizblock. »Wie stehen die Chancen, daß die Hinrichtung am 8. August stattfinden wird?«
»Das ist schwer zu sagen. Ich will mich nicht auf Spekulationen einlassen.«
»Aber alle rechtlichen Möglichkeiten sind erschöpft, oder?«
»Vielleicht. Sagen wir, ich habe eine Menge Arbeit vor mir.«
»Kann der Gouverneur eine Begnadigung gewähren?«
»Ja.«
»Ist das eine Möglichkeit?«
»Ziemlich unwahrscheinlich. Fragen Sie ihn selbst.«
»Wird Ihr Mandant vor der Hinrichtung irgendwelche Interviews geben?«
»Das bezweifle ich.«
Adam schaute auf die Uhr, als müßte er plötzlich ein Flugzeug erreichen. »Sonst noch etwas?« fragte er, dann trank er sein Bier aus.
Mark steckte seinen Stift in eine Hemdtasche. »Können wir ein andermal wieder miteinander reden?«
»Kommt drauf an.«
»Worauf?«
»Wie Sie das bringen. Wenn Sie den Familienkram hervorzerren, dann vergessen Sie's.«
»In Ihrer Familie muß es ein paar ziemlich dunkle Punkte geben.«
»Kein Kommentar.« Adam stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. »War nett, Sie kennenzulernen«, sagte er, während sie sich die Hände schüttelten.
»Danke. Ich rufe Sie an.«
Adam ging rasch an den Gästen an der Theke vorbei und verschwand im Foyer des Hotels.
16
U nter all den hirnverbrannten Vorschriften, die die Insassen des Todestraktes zu befolgen hatten, war die Zwölf-ZentimeterVorschrift diejenige, die Sam am meisten ärgerte. Dieses kleine Glanzstück kleinkrämerischer Regelungswut beschränkte die Menge juristischer Dokumente, die ein Insasse des Todestraktes in seiner Zelle haben durfte. Die Dokumente
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