Die Kampagne
Eheleute und so könnte bald ziemlich peinlich werden.« Sie beäugte Shaw über den Rand ihres Bechers hinweg.
Shaw streckte vorsichtig den verletzten Arm aus.
»Willst du deshalb zum Arzt?«, fragte Katie.
»Ja, aber nicht aus dem Grund, an den du vermutlich denkst.«
»Was für eine Überraschung.«
Sie fuhren mit dem Taxi zu Leona Bartoramas Cottage, einem schlichten Ziegelhaus an einem Kiesweg. Es lag gut drei Kilometer von Malahide Castle entfernt, wo Leona als Touristenführerin arbeitete. Als sie ausstiegen und sich umschauten, bemerkte Katie: »Seltsamer Ort für eine Arztpraxis.«
»Leona ist im Ruhestand.«
»Oh, dann ergibt das natürlich Sinn.«
Leona bat sie herein, begrüßte Katie und führte sie in die geräumige Küche, von der aus man in den Garten schauen konnte. Zu Shaws verändertem Aussehen sagte sie nichts, doch sie beäugte Katie. »Kann ich offen vor ihr reden?«, fragte sie Shaw.
»Sonst hätte ich sie nicht mitgebracht.«
»Frank hat schon angerufen.«
»Natürlich.«
»Er hat gesagt, du hättest ihm versprochen, nicht zu mir zu kommen.«
»Nein, ich habe ihm versprochen, nicht deswegen zu dir zu kommen.« Er tippte sich an die rechte Seite.
»Seine Männer sind hier überall«, fügte Leona hinzu.
»Ich weiß.«
»Woher?«
»Ich habe sie gerochen.«
»Dann weißt du ja auch, dass ich nicht tun kann, was du von mir willst.«
»Woher weißt du denn, was ich von dir will? Ich habe es dir noch gar nicht gesagt.«
Leona schaute ihn neugierig an, während Katies Blick zwischen den beiden hin und her huschte.
»Dann sag's mir«, forderte Leona Shaw auf.
Shaw krempelte den Ärmel hoch und entblößte die Stahlklammern an seiner Wunde.
»Mein Gott!«, rief Leona. »Wie ist das denn passiert?«
»Aha. Davon hat Frank dir also nichts erzählt.«
Leona schaute sich die Wunde genauer an. »Sieht so aus, als würde sie prima verheilen. Der Chirurg hat gute Arbeit geleistet.«
»Ich bin dir sehr dankbar für deine Expertenmeinung, aber deshalb bin ich nicht gekommen.«
»Warum dann?«
Shaw holte einen kleinen Metallzylinder aus seiner Tasche. »Ich möchte, dass du das da reintust«, sagte er und deutete auf den Riss in seinem Arm.
»Das meinst du doch nicht ernst.«
»Shaw!«, rief Katie.
»Todernst.«
»Was ist das?«, fragte Leona misstrauisch.
»Das brauchst du nicht zu wissen«, antwortete Shaw. »Wenn es dir hilft: Es besteht aus rostfreiem Stahl.«
»Nein, das hilft mir nicht. Das Infektionsrisiko ist zu groß.«
»Stopf es meinetwegen in einen sterilisierten Verband; aber ich brauche es genau da. Kannst du das?«
»Natürlich kann ich das. Aber warum sollte ich?«
»Weil ich dich darum bitte. Höflich.«
»Wie tief soll es rein?«, fragte Leona nervös.
»Nicht zu tief. Es kann sein, dass ich es schnell wieder heraushaben muss.«
»Das ist lächerlich!«, stieß Katie hervor.
»Nicht zu tief, Leona«, wiederholte Shaw. »Du schuldest mir das.«
»So sehe ich das nicht.«
»Ich schon.« Shaw zog sein Hemd aus der Hose und entblößte die lange Narbe an seiner rechten Seite. »Ich schon.«
Katie schaute sich die Narbe an, blickte dann zu Leona und runzelte die Stirn. »Haben Sie ihm das angetan?«
Leona schien sie nicht gehört zu haben. »Ich habe hier weder einen Operationssaal noch Instrumente, Shaw.«
»Dublin ist eine große Stadt. Ich bin sicher, da findest du, was du brauchst.«
»Das wird einige Zeit dauern.«
»Heute Nachmittag«, sagte Shaw, und ein Hauch von Drohung schlich sich in seine Stimme.
»Das geht nicht. Ich muss nach Malahide.«
»Heute Nachmittag.«
»Na gut. Ich ruf dich an.«
Shaw stand auf und wandte sich zum Gehen; Katie folgte ihm.
»Ich habe nicht die Möglichkeit, dich in Vollnarkose zu versetzen«, bemerkte Leona, »nur örtlich. Du wirst Schmerzen haben.«
Shaw stopfte das Hemd wieder in die Hose. »Schmerzen lassen sich nie vermeiden, Leona.«
Als sie wieder draußen waren, fragte Katie: »Wer war diese Frau Dr. Frankenstein? Was geht hier vor?«
»Es ist besser, wenn du es nicht weißt, Katie. Vertrau mir.«
»Dir vertrauen? Wie war das noch mit dem mir vertrauen?«
»Ich habe gesagt, ich arbeite daran. Ich habe nicht gesagt, dass ich schon Erfolg hatte.«
Kapitel 74
D er Regen hatte aufgehört, und nun war es ein schöner Tag in Dublin. Vögel flatterten von Baum zu Baum; Blüten wiegten sich in der sanften Brise, und Leute spazierten über die Straße, plauderten miteinander oder saßen in
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