Die Kampagne
Straßencafes.
In dem kleinen, antiseptischen Raum biss Shaw die Zähne zusammen und zerquetschte die Armlehne des Stuhls, auf dem er saß. Leona, in Handschuhen, Mundschutz und Operationskleidung, hatte mehrere der Metallklammern entfernt, die Shaws Wunde zusammenhielten, während Katie den anderen Arm gepackt hielt.
»Das war der leichte Teil«, sagte Leona, als sie die letzte Klammer in eine Pfanne fallen ließ. Vier Klammern steckten noch im Arm.
»Freut mich zu hören«, knurrte Shaw.
»Willst du das immer noch durchziehen? Das wird den Heilungsprozess nachhaltig behindern.«
»Tu es einfach, Leona.«
Leona nahm ein schmales Instrument, das wie ein Minibrecheisen aussah, um damit die Wunde auseinanderzudrücken. Sofort strömte Blut heraus. Schweißperlen erschienen auf Shaws Stirn. Katie verstärkte ihren Griff um seinen Arm. Leona hatte alles um die Wunde herum örtlich betäubt, Shaw aber trotzdem noch einmal vor den Schmerzen gewarnt - und sie hatte nicht übertrieben.
Leona wickelte das kleine Metallding in einen sterilisierten Verband. »Du kannst das nicht lange da drinbehalten«, klärte sie ihren Patienten auf. »Ich habe es sterilisiert, aber früher oder später kommt es zur Infektion. Das ist unvermeidlich.«
»Seltsam. Das hast du beim letzten Mal nicht gesagt.«
»Das letzte Mal war etwas anderes.«
»Für mich nicht.« Shaw legte die Hand auf die Seite. »Du hast nie gesagt, es sei ein Problem, wenn ich das Ding länger drin behalte.«
»Du vergleichst Äpfel mit Birnen«, sagte Leona. »Das Gerät ist wie ein Herzschrittmacher. Es ist dafür entworfen, längere Zeit im Körper zu bleiben. Das Teil hier aber nicht. Als Ärztin muss ich dich also warnen: Es wird zu einer Infektion kommen.«
»Ich werde es mir merken«, knurrte Shaw. »Jetzt steck es rein.«
Vorsichtig schob Leona das Ding in die Wunde, und ihre geschickten, behandschuhten Finger fanden rasch einen kleinen Hohlraum, in dem sie es unterbringen konnte.
Der Schmerz ließ Shaw am ganzen Körper zittern.
»Nimm meine Hand, Shaw«, sagte Katie. »Drück sie.«
»Nein«, stöhnte er.
»Warum?«
»Weil ich dir jeden verdammten Knochen brechen würde.«
Eine Sekunde später riss er die Armlehne mitsamt der Schrauben heraus.
Leona zog die Finger aus der Wunde und schaute sich ihre Arbeit zufrieden an.
»Ich kann die Klammern wieder reintun oder die Wunde kauterisieren.«
»N ... nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dann nicht an das verfluchte Ding rankäme, wenn ich es brauche. Und das ist doch der Sinn des Ganzen«, stöhnte Shaw. »Altmodische Fäden reichen vollkommen aus.«
Leona zuckte mit den Schultern, säuberte die Wunde, so gut sie konnte, nähte sie, wickelte einen Verband darum und lehnte sich zurück.
»Fertig.«
Katie ließ Shaw los und atmete erleichtert auf. Shaw setzte sich langsam auf und bewegte vorsichtig den Arm.
»Danke«, sagte er.
»Für dich tue ich alles, Shaw«, erwiderte Leona sarkastisch. »Wie du ja gesagt hast, schulde ich dir was.«
»Ja, jetzt sind wir quitt.«
»Mindestens!«, verbesserte sie ihn. »Ich denke, die Waagschale hat sich nun ein bisschen zu meinen Gunsten geneigt.«
»Das glaube ich nicht. Dass ich die Schuld für beglichen erklärt habe, war ein Geschenk meinerseits.« Shaw zog sich das Hemd wieder an. Während er es zuknöpfte, schaute Leona sich die Narbe an seiner rechten Seite an. »Sag mal, wie funktioniert das eigentlich?«
»Frag Frank. Ich bin sicher, er wird dir nur zu gerne alles darüber erzählen.« Shaw streckte die Hand aus und steckte das kleine Instrument ein, mit dem Leona das Ding in seinen Arm bugsiert hatte. »Um der alten Zeiten willen«, sagte er, als sie protestieren wollte.
Als Shaw sich zum Gehen wandte, hielt Leona ihn noch einmal an der Tür auf. »Das Ding in deinem Arm ... Ist es das, was ich glaube?«
»Wer weiß, Leona? Wer weiß?«
Kapitel 75
W irst du mir jetzt sagen, was hier vor sich geht, Shaw? Was ist dieses Ding, das in deinem Arm steckt? Und woher kennst du diese Leona? Wo hast du die Narbe an deiner Seite her?« Katie feuerte diese Fragen beim Abendessen im Shelbourne Hotel ab, gegenüber Stephen's Green in der Stadtmitte von Dublin. Es war spät genug, dass sie einen ruhigen Tisch im hinteren Teil des Lokals hatten und ungestört miteinander reden konnten. Allerdings schien Shaw nicht in Plauderstimmung zu sein, denn Katie stellte seit Stunden schon die gleichen Fragen und hatte nicht eine einzige Antwort
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