Die Kampagne
global oder zu heikel sind. Wir sind eine Art Interpol auf Speed. Allerdings mache ich jetzt keinen Außendienst mehr, sondern habe einen Schreibtischjob«, log er - und das gar nicht mal schlecht, wie er fand.
»Und was genau sind das für ›Dinge‹, um die ihr euch kümmert?«, fragte Anna.
»Wir versuchen, böse Leute davon abzuhalten, böse Dinge zu tun ... auf welche Art auch immer«, fügte er hinzu.
»Aber dein Job bei dieser Truppe ist nicht gefährlich? Obwohl du mitten in der Nacht angerufen wirst?«
»Das Leben ist immer gefährlich, Anna. Du kannst um eine Ecke gehen und von einem Bus plattgefahren werden.«
»Shaw, sei nicht so herablassend.«
»Mein Job ist nicht gefährlich, nein.« Er spürte, wie seine Haut immer wärmer wurde. Einen persischen Irren konnte er mit Leichtigkeit anlügen, Anna jedoch nicht.
»Und du wirst diesen Job weiterhin tun?«
»Eigentlich wollte ich in den Ruhestand gehen und mir was anderes suchen ...«
Annas Gesicht hellte sich auf. »Das hätte ich nicht gedacht!«
Ich auch nicht, ging es Shaw durch den Kopf. Und ich hoffe, dass ich lange genug lebe, um die Sache durchzuziehen. »Verheiratet zu sein bedeutet, dass zwei Menschen zusammen leben, nicht getrennt.«
»Deshalb würdest du für mich deinen Beruf aufgeben?«
»Ich würde alles für dich aufgeben.«
Sie streichelte ihm die Wange.
»Warum?«, fragte er plötzlich.
»Warum was?«
»Du hättest jeden Mann haben können. Warum ich?«
»Weil du ein guter Kerl bist. Bescheiden. Tapfer. Aber so tüchtig du auch sein magst, Shaw, du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert. Du brauchst mich. Und ich brauche dich.«
Shaw küsste sie und ließ die Finger über ihre Wange gleiten.
»Musst du sofort wieder weg?«, fragte sie.
Er senkte den Kopf. »Erst in zwei Tagen.«
»Und wohin diesmal?«
»Schottland.«
Shaw nahm Anna in die Arme. Ihre blonden Haare berührten sein Gesicht, und ihr Duft vermischte sich mit seinem Kanalgestank.
Sie liebten sich noch einmal. Nachdem Anna eingeschlafen war, schob Shaw sich eine Hand hinter den Kopf und legte die andere schützend auf Annas Arm.
Dann lauschte er dem Regen, der nicht enden wollte. Jeder Tropfen war wie eine Kugel, die Shaw direkt ins Hirn drang. Er hatte Anna gefragt, ob sie ihn heiraten wolle, doch nach dem Gespräch mit Frank fürchtete er, es könnte der größte Fehler seines Lebens gewesen sein.
Kapitel 15
R .I.C?«, sagte Anna, als sie Shaw, der gerade Kaffee einschenkte, die Zeitung zeigte.
Sie schob den Servicewagen ein Stück beiseite und entfaltete die Sonderbeilage, die aus der Herald Tribune gerutscht war.
Shaw schaute ihr über die Schulter. Der Artikel war lang und quoll vor Halbwahrheiten nur so über. Es war eine weitere reißerische Breitseite gegen die Regierung der Russischen Föderation. Die Überschrift des Artikels hätte genauso gut lauten können: »Das Reich des Bösen, 2. Akt«.
Shaw las laut vor: »Der Russian Independent Congress, kurz R.I.C., und die ihm angeschlossene Gruppierung Freies Russland appellieren an die freien Länder der Welt, sich gegen Präsident Romuald Gorschkow und dessen Regierung des Terrors und der Unterdrückung zu stellen, ehe es zu spät ist.«
Anna schaute auf einen anderen Abschnitt und las vor: »Die Regierung Gorschkow hat politische Gegner in Geheimgefängnisse gesteckt oder ermordet, eine Politik der ethnischen Säuberung eingeleitet und im Geheimen Massenvernichtungswaffen produziert, was einen klaren Verstoß gegen sämtliche geltende Abrüstungsabkommen darstellt.« Sie drehte sich zu Shaw um. »Erst dieser Konstantin, dann all die angeblichen Toten und jetzt das. Hast du je von dieser Organisation gehört? R.I.C.?«
Shaw schüttelte den Kopf. »Da unten steht eine Webadresse.«
Anna holte ihren Laptop, fuhr ihn hoch und war eine Minute später mit dem WLAN des Hotels verbunden. Ihre Finger huschten über die Tasten, und eine bunte Webseite erschien.
»Schau dir mal diese Seite an.« Anna deutete auf den Monitor. »Gestern war die noch nicht online, sonst hätte ich davon gehört.«
Annas Handy klingelte. Sie schnappte es sich, hörte zu, stellte Fragen, hörte wieder zu. Schließlich schaltete sie das Gerät aus und blickte zu Shaw.
»Und?«, fragte er.
»Das war mein Büro. Wegen diesem Artikel ist die Hölle los. Gorschkow und seine Minister sind außer sich. Sie leugnen alles und wollen wissen, wer hinter der Sache steckt. Sie reden von einer gewaltigen
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