Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kampagne

Titel: Die Kampagne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
Vom Netzwerk:
ist tot, mausetot!«
    Dann hörten alle die langsamen Schritte, und Stille senkte sich über den Raum. Nur die erstickten Schreie des kleinen Jungen waren noch zu hören.
    »Muddi! Wo ist Muddi?«
    Die untersetzte alte Nonne kam in den Raum und ging zum Bett des kleinen Jungen. Selbst im Dunkeln wusste sie offenbar genau, wohin sie ihre Schritte setzen musste. Sie nahm den Jungen in den Arm, wiegte ihn, strich ihm übers Haar und küsste ihn auf die Wange.
    »Das war nur ein böser Traum. Ich bin ja hier, Kind. Alles ist gut. Nur ein böser Traum.«
    Ihre Gegenwart beruhigte den Jungen, wie jedes Mal, und schließlich verstummte sein Schluchzen. Er war ziemlich groß für sein Alter, doch die Nonne war trotz ihres Alters kräftig. Die Jahre schienen sie nicht geschwächt zu haben, obwohl es hier vieles gab, was sie hätte ermüden können.
    Die Nonne legte den Jungen wieder auf sein kleines Bett, von denen insgesamt 26 in einem Raum standen, der nur für die Hälfte vorgesehen war. Die Jungen hätten zum Gemeinschaftsbad laufen können, ohne einen Fuß auf den Boden setzen zu müssen, so dicht standen die Betten beieinander. Aber sie hatten zumindest eine Schlafstelle, ein Dach über dem Kopf und litten keinen Hunger.
    Als die Nonne in ihre Zelle zurückkehrte, lauschten 52 Ohren ihren gemessenen Schritten. Kaum hatte die Tür sich hinter ihr geschlossen, sagte einer der älteren Jungen: »Und dein Alter ist auch tot! Der hat sich kaputt gesoffen, ich hab's selbst gesehen!«
    »Und deine Muddi ist 'ne Leiche«, höhnte der andere Junge erneut, diesmal jedoch leiser, denn die Nonne war zwar ganz in Ordnung, aber auch ihre Geduld kannte Grenzen.
    Diesmal schrie der kleine Junge nicht, und er begann auch nicht zu zittern, wie es manchmal der Fall war, wenn die anderen ihn verspotteten.
    Eine Stunde später hörte die Lästerei auf. Alle schliefen.
    Bis auf einen.
    Der kleine Junge stieg aus dem Bett, ließ sich zu Boden gleiten und robbte los wie die Soldaten, die er im alten Schwarzweißfernseher der Nonne gesehen hatte, denn manchmal ließ sie ihn zu sich herein und gab ihm einen frisch gepressten Orangensaft und eine Scheibe Brot, dick mit Butter und Marmelade bestrichen.
    Der Junge erreichte das Bett des schlimmsten Spötters und stemmte sich langsam hoch.
    Dann zuckte eine Hand vor und schloss sich um den Hals des anderen, größeren Jungen. Fast gleichzeitig traf die andere Hand, zur Faust geballt, ihn voll ins Gesicht. Blut spritzte auf die Bettdecke. Der kleine Junge spürte die warme, klebrige Flüssigkeit auf seinem Arm, roch den Schweiß und die Furcht des anderen.
    Blut, Schweiß und Angst - dies alles sollte der kleine Junge in seinem späteren Leben noch viele Male bei anderen Menschen spüren.
    Noch einmal schlug er dem größeren Jungen die Faust ins Gesicht, mit voller Wucht, wieder und wieder, bis ihn etwas Hartes ins rechte Auge traf. Sein Gesicht fühlte sich augenblicklich geschwollen an. Ein knochiges Knie traf ihn schmerzhaft in den Leib, trieb ihm die Luft aus der Lunge. Trotzdem ließ er nicht locker, drosch unerbittlich auf den anderen ein, trat mit den Füßen, stieß mit dem Kopf gegen die Brust des Jungen unter ihm, biss und spuckte. Er spürte, wie ihm das eigene Blut übers Gesicht lief, schmeckte es auf den Lippen. Es war salzig und dickflüssig, und ihm wurde übel. Doch er ließ nicht von seinem Opfer ab.
    »Muddi!«, hörte er sich schreien. Seine Arme und Beine bewegten sich wie Zylinderkolben, und seine Brust fühlte sich so hart an, als wäre sie von der Anstrengung zu einer festen Masse geworden.
    »Muddi ... ist ...«, keuchte er.
    Hände rissen an ihm, und Nägel krallten sich wie Klauen in seinen Rücken. Jemand schrie ihm etwas ins Ohr, doch es hörte sich an, als käme die Stimme von der anderen Seite eines Wasserfalls.
    Der kleine Junge schlug blind vor Wut auf Fleisch, Knochen, Knorpel, obwohl die Klauen verzweifelt an ihm zerrten. Immer mehr Blut floss in seinen Mund. Der Geschmack des Meeres.
    »Muddi ... ist ... nicht ...«
    Er rammte dem anderen Jungen das Knie in die Weichteile. Er wusste, wie weh das tat, denn das hatten die anderen mit ihm selbst schon gemacht. Der ältere Junge wimmerte und erschlaffte.
    Der kleine Junge fand noch genug Luft, um zu kreischen: »Muddi ist nicht tot!«
    Dann packten die Klauen fester zu, zerrten mit solcher Kraft an ihm, dass er sich vom Gegner löste wie ein krummer, rostiger Nagel, der aus Holz herausgehebelt wird. Keuchend und

Weitere Kostenlose Bücher