Die Kampagne
paar Recherchen anstellen. Sie wusste nicht, über was sie da gestolpert war, doch die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass die größten Storys sich meist aus unerwarteten Begegnungen ergaben.
Kapitel 22
D iese Truppe lässt den Perser und seine blutrünstigen Jungs wie einen Haufen vierjähriger Daumenlutscher aussehen, ging es Shaw durch den Kopf. Er saß in einem Auto, einen Granitblock aus Tadschikistan auf der einen und einen weiteren aus demselben asiatischen Land auf der anderen Seite. Es grenzte an ein Wunder, dass die Vorderräder des großen Mercedes noch auf der Straße waren. Immerhin hockte eine halbe Tonne Fleisch auf dem Rücksitz. Aber das konnte natürlich auch an dem Paar vorne im Wagen liegen, ebenfalls Tadschiken, die zusammen mindestens 250 Kilo auf die Waage brachten, und nur wenig davon war Fett, wie Shaw sehen konnte. Noch ein Mann mehr, und sie hätten eine hervorragende Verteidigungsreihe für eine Profi-Footballmannschaft abgegeben.
Shaw hatte noch nie einen Tadschiken getroffen, der nicht permanent mürrisch ausgesehen hätte. Vielleicht war das Leben in dem rauen, bergigen Land, in dem 80 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebten und das die Sowjets als Giftmülldeponie missbraucht hatten, ja auch Grund genug, ständig angepisst zu sein.
Shaw sagte etwas auf Russisch und erhielt etwas als Antwort, das man nur als Knurren beschreiben konnte. Tadschiken betrachteten sich nicht als Russen; kulturell standen sie tatsächlich den Persern näher und gehörten zum iranischen Genpool. Shaw hatte sich nie die Mühe gemacht, Tadschikisch zu lernen. Jetzt hoffte er, dass er dieses Versäumnis nicht bald würde bereuen müssen.
Er lehnte sich zurück. Die Tadschiken verkauften Drogen, Heroin zumeist, hergestellt aus dem Opium des benachbarten Afghanistan, dem Hauptexportartikel des Landes. Das war nur möglich, weil die Koalitionstruppen Afghanistan nahezu vollständig verlassen hatten, um den Irak zu einem Leuchtfeuer der Demokratie zu machen. Internationale Drogenkartelle dankten ihnen tagtäglich auf Knien für so viel Rücksichtnahme, denn ohne Opium konnte man kein Heroin herstellen, die beliebteste Straßendroge aller Zeiten. Das Elend, das diese chemische Zeitbombe auf der Welt bereits verursacht hatte, war schier unfassbar.
Shaw war hier, um eine metrische Tonne dieses Elendmachers zu kaufen, eintausend Kilo mit einem Verkaufswert von 15 Millionen Dollar, wenn man den Stoff in den USA vertickte. Die Drogen würden versteckt in Tausenden von Fußbällen von Schottland nach New York verschifft werden. Importe aus Schottland, so hatten die Tadschiken herausgefunden, beschäftigen den an chronischem Mitarbeitermangel leidenden amerikanischen Zoll sehr viel weniger als ein großes Paket aus dem Iran oder Nordkorea, auf dem in fetten Lettern »Tod den USA« zu lesen war.
Aber wenn alles nach Plan lief, würde die Ladung, die Shaw heute kaufte, im Hafen von New York beschlagnahmt werden. Der Fang würde in der Presse ganz groß als schwerer Schlag gegen die internationale Drogenmafia und als Beweis dafür gefeiert werden, wie gut die Polizeibehörden auf internationaler Ebene zusammenarbeiteten ... Das hieß natürlich nur, wenn es Shaw gelang, seine Mission erfolgreich abzuschließen und an einem Stück wieder hier rauszukommen. Allerdings bezweifelte er, dass Frank sein Überleben als Maßstab für einen Triumph betrachtete.
Doch Shaw war nicht hier, um amerikanische Zollbeamte gut aussehen zu lassen. Es galt, den Profit dieses Deals nicht in die Hände des internationalen Verbrechersyndikats gelangen zu lassen, das zumindest teilweise von Islamisten übernommen worden war; die Kerle waren inzwischen überall in Tadschikistan. Mit ihrem Anteil an dem Deal heute Nacht könnten sie sich ein paar schmutzige Bomben oder Material für Zehntausende selbstgebastelter Sprengkörper kaufen; beides war nicht gerade ein Segen für die zivilisierte Welt.
Sie waren nicht weit weg von Edinburgh, doch das Land war rasch leer, ja einsam geworden. Weit im Norden lag der Firth of Forth. Als einer der Tadschiken das Fenster herunterkurbelte, um den Rauch seiner Zigarette nach draußen zu pusten, glaubte Shaw, das Meer riechen zu können. 30 Minuten später bogen sie auf eine Schotterstraße ein und waren rasch zwischen den dicht stehenden Bäumen zu beiden Seiten verschwunden.
Der Fahrer des Trucks, der am Ende der Straße wartete, nickte seinem Kollegen in der Limousine zu, als diese neben ihm
Weitere Kostenlose Bücher