Die Kampagne
Beinahe hätte er auf gerader Strecke Tempo 100 erreicht, als plötzlich schwarzer Rauch aus dem Motorraum quoll. Der Motor verreckte, der Wagen kam zum Stehen. Shaw schaute sich rasch im Innenraum um, bis er die 9mm SIG sah, die halb unter der Fußmatte am Beifahrersitz steckte. Er schnappte sich die Waffe, trat die Tür auf und rannte los.
Er war nicht der Einzige.
Shaw wechselte die Richtung, lief um die Kurve und holte sie in dem Augenblick ein, als sie in ihren Wagen stieg, einen schwarzen Mini.
»Lassen Sie mich los!«, kreischte Katie, als Shaw sie am Arm packte.
»Schlüssel!«, brüllte Shaw.
Er riss sie ihr aus den Fingern und zwängte seinen riesenhaften Leib in den kleinen Innenraum.
»Einsteigen!«, rief er, denn Katie stand stocksteif da.
»Nein!«
»Wenn die Typen Sie hier finden, werden sie Sie umbringen.«
»Sie meinen, Sie werden mich umbringen.« Katie starrte auf seine Waffe.
»Hätte ich das vor, wären Sie bereits tot, und ich bräuchte Ihnen keine Mitfahrgelegenheit anzubieten.«
»Sie meinen, dann würden Sie mich nicht als Geisel nehmen.«
»Diese Kerle scheißen auf Geiseln. Und jetzt rein mit Ihnen!«
Nicht weit entfernt hörten sie etwas auf sich zukommen.
»Das ist Ihre letzte Chance«, sagte Shaw in einem Tonfall, der keinen Zweifel am Ernst der Lage ließ.
40 Meter von ihnen entfernt brach der Truck zwischen den Bäumen hervor. Am Steuer saß einer der riesenhaften Tadschiken, neben ihm der kleine Kerl mit dem bösartigen Grinsen, der keine Schecks oder Kreditkarten akzeptierte. Der Mann sah sie, und sein Grinsen wurde breiter, als er das Fenster herunterkurbelte und sorgfältig zielte.
»Achtung!«, rief Shaw.
Er hatte gesehen, was Katie entgangen war. Er packte sie am Arm, riss sie durchs offene Fenster in den Wagen und trat gleichzeitig aufs Gas. Sekunden später wurde der Boden, auf dem Katie gestanden hatte, von einer Panzerfaust zerfetzt.
Shaw drückte Katie herunter und ließ den Motor aufheulen, schaltete durch die Gänge und überschritt dabei mehrfach die vom Hersteller empfohlene Maximaldrehzahl. Trotzdem würde es vielleicht nicht reichen.
Maschinengewehrfeuer ertönte hinter ihnen wie ein Schwarm Bienen mit 50.cal-Stacheln. Katie versuchte, sich aufzusetzen, doch Shaw drückte sie wieder hinunter. »Unten bleiben!«
Er schaute in den Innenspiegel und dachte darüber nach, die Straße zu verlassen und sein Glück querfeldein zu versuchen. Das Problem war nur, dass die Straße von Abflussgräben gesäumt wurde, durch die der Mini es nie schaffen würde. Und selbst wenn - die Gegend hier war so beschaffen, dass man nur mit einem Allradfahrzeug durchkam.
Shaw wusste, wenn es weiter geradeaus ging, konnte er einer zweiten Rakete nicht entkommen. Jede Sekunde rechnete er mit dem Einschlag. Vor seinem geistigen Auge sah er die großen Zähne des grinsenden Tadschiken, der ohne Zweifel wusste, dass Shaw auf dem Fahrersitz saß. Das aber würde sich jetzt ändern.
»Festhalten!«, rief Shaw, riss das Lenkrad herum, machte eine erneute Kehrtwende und trat wieder aufs Gas. Nun jagten sie genau auf den LKW zu.
Katie setzte sich gerade noch rechtzeitig auf, um das nahende Unheil zu sehen. »Was zum Teufel machen Sie da?«, kreischte sie.
Die wilde Jagd stand fünf Sekunden vor ihrem Ende, während der große Truck und der Mini aufeinander zurasten. Katie schloss die Augen und klammerte sich an die Kopfstütze.
Als die Scheinwerfer des Mini näher kamen, schauten die beiden Tadschiken einander an; offenbar konnten sie nicht glauben, was da geschah. Wenn sie mit dem Mini zusammenstießen, würde der Truck vielleicht liegen bleiben, und wegen der Männer, die ihnen auf den Fersen waren, brauchten sie einen fahrbaren Untersatz.
Genau das war der Grund, warum Shaw ihnen entgegenraste.
Der große Tadschike riss das Lenkrad nach links. Es sollte sein letztes Ausweichmanöver auf Erden sein.
Shaw feuerte mit seiner Pistole, und drei Kugellöcher erschienen auf der Fahrerseite in der Windschutzscheibe des LKW. Das Grinsen des kleinen Mannes verschwand im selben Augenblick, da der Fahrer sein Leben aushauchte. Shaw lenkte scharf nach rechts. Die Räder des Mini mahlten sich tief in den Schotter, bevor sie wieder Traktion bekamen und der Wagen weiterraste.
Der fahrerlose LKW fuhr noch 150 Meter, kam von der Straße ab, verfing sich mit den Rädern im Graben und kippte auf die Seite.
Erst da machte Katie wieder die Augen auf.
Kapitel 24
A ls sie gut dreißig
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