Die Kampagne
sie bluteten. Dann übergab der junge Schotte seinen Posten an eine Frau mittleren Alters, die Katie nie zuvor gesehen hatte. Kaum war der Mann außer Sicht, ging Katie wieder zur Rezeption.
»Ich wohne mit meinem Verlobten in Zimmer 505«, begann sie. »Ich habe ihm meinen Schlüssel gegeben, als er seinen verlegt hat. Er wollte den Schlüssel in einen Notizblock stecken und für mich dalassen, damit ich wieder ins Zimmer komme.«
Die Frau drehte sich um, griff in das Fach für Zimmer 505 und holte den Notizblock heraus.
»Dieser hier?«, fragte sie.
Katie nickte und nahm den Block entgegen. Sie schaute ihn durch und ließ den Gegenstand, den sie zuvor hineingelegt hatte, auf die Rezeption fallen. Die Frau hob ihn für sie auf. Es war Katies amerikanischer Führerschein. Die Frau blickte auf das Foto und dann zu Katie.
»Da ist er ja!«, sagte Katie. »Ich habe ihn schon überall gesucht. Mein Verlobter muss ihn im Zimmer gefunden und für mich in den Notizblock gelegt haben.«
»Und wo ist Ihr Verlobter?«, fragte die Frau freundlich, aber im Tonfall eines Menschen, der gedachte, seinen Job zu machen, und dies gründlich.
»In Glasgow.« Katie blätterte weiter durch die Seiten. »Er kommt morgen zurück, aber den Schlüssel hat er wohl nicht dagelassen. Wie komme ich jetzt ins Zimmer?«
»Haben Sie schon versucht, ihn anzurufen?«
»Ja, er geht nicht ran. Zu viele Funklöcher, nehme ich an.«
»Wem sagen Sie das«, seufzte die Frau.
Erneut schaute sie sich den Führerschein an.
»Nun, wir können unsere Gäste schwerlich auf dem Bürgersteig schlafen lassen, nicht wahr?« Sie nahm den Ersatzschlüssel vom Haken und gab ihn mitsamt dem Führerschein Katie.
Katie schaute auf das Namensschild der Frau. »Sara, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ich kann immer noch nicht glauben, dass er den verdammten Schlüssel vergessen hat.«
»Ich bin jetzt sechsundzwanzig Jahre mit meinem Dennis verheiratet, und der arme Kerl vergisst immer noch Geburtstage, Hochzeitstage und manchmal sogar die Namen unserer fünf Kinder. Wenn Ihr Verlobter nur Schlüssel vergisst, dann heiraten Sie ihn und schätzen Sie sich glücklich.«
Katie ging zum Aufzug.
Eine Minute später öffnete sie die Tür von Zimmer 505. Sie hatte Shaw vom Balmoral weggehen sehen; deshalb war sie sicher, dass er so bald nicht zurückkommen würde. Trotzdem beschloss sie, nicht länger als zehn Minuten für die Suche zu investieren.
Neun Minuten später hatte sie jeden Quadratzentimeter des Zimmers unter die Lupe genommen und die paar Sachen inspiziert, die Shaw zurückgelassen hatte. Und was hatte sie gefunden? Null! Nun ja, nicht ganz. In einer Jackettasche hatte sie eine Quittung für einen Buchkauf in Dublin entdeckt; doch das war nicht wirklich hilfreich.
Katie durchsuchte das Zimmer noch einmal, blieb am Schreibtisch stehen und ließ den Blick über die Sachen dort schweifen, die alle vom Hotel waren. Und dann sah sie es. Sie setzte sich, zog die Schreibunterlage zu sich heran, nahm einen Bleistift und rieb damit vorsichtig über das Papier. Nach und nach kam ein Name zum Vorschein; er hatte sich in die Auflage eingedrückt, als Shaw ihn geschrieben hatte - ein amateurhafter Fehler.
»Anna Fischer«, murmelte Katie. Der Name war nicht ungewöhnlich, doch aus irgendeinem Grund kam er Katie bekannt vor.
Und dann fiel es ihr plötzlich ein. Sie schaute auf die Quittung, die sie in der Jackentasche gefunden hatte.
»Polizeistaaten, eine historische Untersuchung ...«, las sie laut. Wieder hatte sie eine nebelhafte Erinnerung.
Katie verließ das Zimmer und rief bei der Buchhandlung an, deren Nummer auf der Quittung stand. Sie rechnete nicht damit, dass um diese Zeit noch jemand abnahm, doch wider Erwarten meldete sich eine Frauenstimme. Katie erkundigte sich, ob sie das Buch führten. Ja, lautete die Antwort; sie hätten aber nur noch ein Exemplar. »Wie hieß noch mal die Autorin?«, fragte Katie. »Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
»Anna Fischer«, antwortete die Frau.
Kapitel 26
A nna ging langsam durch die Straßen von Westminster. In diesem Teil Londons drängten sich die Touristen und reckten die Hälse, um am Buckingham-Palast einen Blick auf die Queen oder sonst einen Royal zu erhaschen, oder um die Gräber längst verstorbener Herrscher in der berühmten Abtei zu besuchen oder das West End mit seinen Theatern oder die Statue Lord Nelsons, der nachdenklich von seiner riesigen Granitsäule herabschaute, während
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