Die Kampagne
einzusetzen.
Kapitel 29
S haw stand im Heidelberger Schloss vor dem größten Holzfass der Welt, in dem je Wein gelagert worden war. Die Nacht zuvor war er von Edinburgh nach Frankfurt geflogen und dann am Morgen nach Heidelberg weitergefahren. Diesmal war seine Aufgabe relativ einfach. Er sollte einem Mann ein paar Papiere übergeben, der sie seinerseits nach oben weiterreichen würde.
War dieser Auftrag erledigt, sollte er eigentlich zu Annas Eltern nach Wisbach fahren. Aber sollte er wirklich? Frank hatte klargemacht, dass Shaw in absehbarer Zeit nicht der Sklaverei würde entkommen können, vermutlich erst mit seinem Tod. Was also hatte es für einen Sinn, zu Annas Eltern zu fahren? Shaw konnte Anna nicht heiraten und gleichzeitig für Frank weiterarbeiten. Er hätte nie um ihre Hand anhalten dürfen. Aber er hatte es getan, und nun sollte er so schnell wie möglich aus ihrem Leben verschwinden, sodass jemand anders Anna geben konnte, wozu er nicht in der Lage war.
Das wäre edel und selbstlos, doch Shaw fühlte sich nicht so. Er wollte Anna nicht verlieren. Er durfte Anna nicht verlieren. Er würde nach Wisbach fahren, und vielleicht würde ihm auf wundersame Weise ja noch eine Idee kommen, wie er diesem Albtraum entrinnen konnte.
Eine halbe Stunde später wurden die Papiere an einen jungen Mann übergeben, der wie ein typischer amerikanischer Collegestudent aussah, bis hin zur Red-Sox-Kappe, der zerschlissenen Jeans und den Nike-Turnschuhen. Shaw spielte weiter seine Rolle als Tourist, der Fotos vom Schloss knipste und alles über die Geschichte der berühmtesten Schlösser und Burgen Deutschlands lernen wollte. Als er sich gefahrlos auf den Weg machen konnte, rannte er fast den Hügel zu seinem Mietwagen hinunter und fuhr nach Wisbach.
Wie Anna gesagt hatte, war der Buchladen ihrer Eltern leicht zu finden. Er lag direkt an der Hauptstraße des malerischen Dorfes.
Natascha Fischer begrüßte ihn an der Tür. Anna hatte ihre Größe und das gute Aussehen offensichtlich von der Mutter geerbt. Doch während Anna ausgesprochen gesprächig, bisweilen gar extrovertiert war, zeigte ihre Mutter sich reserviert und blickte Shaw nicht in die Augen, als er sich vorstellte.
Der Buchladen war klein, aber die Bücherregale bestanden aus gutem alten Pinien- und dunklem Walnussholz. Eine Rollleiter lehnte an einer Wand mit antiquarischen Büchern; vor einer anderen Wand stand ein großer Schreibtisch voller Papiere. An dem Schreibtisch saß ein Mann, der sogar noch größer war als Shaw. Wolfgang Fischer stand auf und streckte die Hand aus. Anna hatte ihren Eltern Shaws Erscheinen angekündigt. Natascha hing das »Geschlossen«-Schild an die Tür und schloss ab. Dann folgte sie ihrem Mann und Shaw durch eine Tür in die angrenzende Wohnung der Fischers.
Wie im Laden war es auch hier ordentlich und stilvoll. An den Wänden hingen Fotos von Anna, vom Kind bis zur erwachsenen Frau. Während Natascha Kaffee aufsetzte, holte Wolfgang eine kleine Flasche Cognac aus dem Schrank.
»Solch ein Ereignis schreit förmlich nach etwas Stärkerem als Kaffee, meinen Sie nicht?«, sagte Wolfgang auf Englisch, aber mit starkem deutschen Akzent, sodass Shaw ihn nur mit Mühe verstehen konnte. Wolfgang schenkte ein, setzte sich und schaute erwartungsvoll zu Shaw, der nervös am Kaminsims lehnte.
»Anna hat uns viel von Ihnen erzählt«, begann Wolfgang hilfsbereit.
Natascha kam zurück und brachte Kaffee und Kuchen. Missbilligend schaute sie auf den Cognac in der Hand ihres Mannes.
»Es ist noch nicht einmal vier Uhr«, tadelte sie ihn.
Ihr Mann grinste. »Shaw wollte gerade etwas sagen.«
Natascha setzte sich und schenkte Kaffee ein, warf aber immer wieder nervöse Blicke zu ihrem Gast.
Shaw spürte, wie sich Schweiß in seinen Achselhöhlen sammelte. Er geriet eigentlich nie ins Schwitzen, nicht einmal, wenn jemand auf ihn schoss, doch nun fühlte er sich wie ein Schuljunge bei seinem ersten Rendezvous. Sein Mund war wie ausgetrocknet, und seine Beine schienen sein Gewicht nicht mehr tragen zu wollen.
»Ich bin gekommen, um Sie etwas zu fragen«, sagte er schließlich und setzte sich den beiden gegenüber.
Ich kann es genauso gut aussprechen. Er schaute Annas Dad in die Augen. »Hätten Sie ein Problem damit, wenn ich Ihre Tochter heirate?«
Wolfgang schaute zu seiner Frau, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Natascha wischte sich die Augen mit einer Serviette ab.
Wolfgang stand auf, zog Shaw in die Höhe und
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