Die Kampagne
immun gegen Franks Provokationen war. »Wo?«, fragte er knapp.
»Paris. Du fährst heute Nachmittag durch den Tunnel. Erste Instruktionen bekommst du in St. Pancras, den Rest vor Ort.«
»Ich will dir einen Rat geben, Frank: Schau öfter mal über die Schulter.«
Damit war das Gespräch auch schon beendet.
Shaw lächelte und legte das Handy beiseite. Er hatte Anna. Das war alles, was zählte. Ihm war ein solch gewaltiger Stein vom Herzen gefallen, dass er das Gefühl hatte, fliegen zu können.
Er frühstückte mit seiner Verlobten, küsste sie zum Abschied und wollte gerade die Wohnung verlassen, während sie duschte, als ihm einfiel, dass er sein Jackett in ihrem überfüllten Büro neben dem Speisezimmer vergessen hatte. Als er es holte, sah er die Visitenkarte auf ihrem Schreibtisch.
»Katie James, New York Tribune«, las er langsam, und seine Wut wuchs mit jedem Wort.
Er drehte die Karte um und sah die Londoner Adresse, die dort geschrieben stand. So hatte Anna also von Schottland erfahren. Shaw schaute auf die Uhr. Ihm blieb noch Zeit. Er ließ die Karte in seiner Tasche verschwinden.
Kapitel 36
S haw spürte förmlich das Auge, dessen Blick sich durch den Türspion in ihn brannte.
Er hätte alles darauf gewettet, dass sie ihn nicht hereinlassen würde.
Er hätte die Wette verloren.
Katie kam sogleich auf den Punkt. »Hören Sie, ich weiß, dass Sie wütend sind, aber haben Sie Anna besucht?« Sie klang nervös und sah besorgt aus.
Katie setzte sich auf das kleine Sofa und schob die Beine unter sich. Sie hatte einen Hotelbademantel und Slipper an. Ihr Haar war nass und glatt. Shaw spürte noch den Dampf, der aus dem Badezimmer kam, und der Duft des Shampoos stieg ihm in die Nase. Doch das alles bemerkte er kaum. Er war so wütend, dass er zitterte.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«, sagte er.
»Natürlich.«
Er explodierte. »Was zum Henker haben Sie sich dabei gedacht, sich in mein Leben einzumischen?«
»Ich ... Ich wollte nur helfen.«
»Ich brauche Ihre Hilfe nicht, Lady.«
Katie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach wirklich? Dann ist Ihnen offenbar völlig entgangen, dass es diese wunderbare Frau gibt, die sich Hals über Kopf in Sie verliebt hat und nun herauszufinden versucht, ob Sie ihr Ritter in strahlender Rüstung oder ein Psychopath sind.« Auch Katies Tonfall war nun aggressiv.
»Sie haben nicht das Recht, sich da einzumischen!«
»Ich habe Anna geraten, sie soll erst einmal mit Ihnen reden, bevor sie eine Entscheidung trifft. Ich habe ihr gesagt, dass ich Sie für einen guten Jungen halte. Und das sind Sie doch, oder?«
»Im Moment bin ich mir da nicht so sicher.«
»Warum?«
»Weil ein Teil von mir Sie erwürgen will.«
»Okay. Das kann ich verstehen. Möchten Sie stattdessen vielleicht eine Tasse Kaffee?«
Zum ersten Mal bemerkte Shaw den Rollwagen mit Katies Frühstück darauf.
»Nein.«
»Aber es macht Ihnen sicher nichts aus, wenn ich mir einen nehme?«
Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und nahm sich einen Bagel. »Und?«
»Und was?«
»Haben Sie mit Anna gesprochen?«
»Ja.«
»Und?«
»Das geht Sie verdammt noch mal nichts an!«
»Ist das der einzige Grund, weshalb Sie hier sind? Um mir meine Rechte vorzulesen?«
Shaw bewegte sich so schnell, dass Katie ihm kaum folgen konnte. Mit lautem Krachen flog der Frühstückswagen gegen die Wand.
Ungerührt trank Katie ihren Kaffee und stellte den Becher ab. »Sind Sie jetzt mit dem Theater fertig?«
»Halten Sie sich aus meinem Leben raus!«
Shaw wandte sich zum Gehen.
»Ich habe nur eine Frage an Sie, und es geht nicht um Anna«, sagte Katie.
Shaw blieb an der Tür stehen und funkelte sie an.
»Was haben Sie gemeint, als Sie gesagt haben, Sie seien schon in der Hölle gewesen, und es sei dort gar nicht mal so schlimm, wie alle meinen?«
»Ich sagte Ihnen doch schon: Sie würden es nicht verstehen.«
Zur Antwort ließ Katie den Bademantel von der Schulter gleiten und entblößte eine leuchtend rote Narbe auf ihrem rechten Oberarm.
»Versuchen Sie's einfach mal.«
Shaw beäugte die alte Wunde an Katies Schulter. »Kugel?«
»Ich habe mir schon gedacht, dass Sie so was erkennen. Die stammt von einem angepissten Syrer. Zum Glück war er ein miserabler Schütze. Hinterher hat er gesagt, er hätte auf meinen Kopf gezielt.«
Katie hob eine unzerstörte Tasse und die Thermoskanne auf, die den Aufprall auf wundersame Weise überlebt hatte, und schenkte Shaw ein. Als
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