Die Kampagne
weltgrößten Erdgasvorkommen war das keine leere Drohung. Russland, sozusagen der Tabellenerste, exportierte mehr Öl als alle Staaten auf den nachfolgenden Plätzen zusammen: Norwegen, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die volle Quote reichte kaum aus, um die Weltproduktion am Laufen zu halten, und die Kürzung der Förderquote durch die Russen war nicht wettzumachen.
Die Weltmärkte reagierten wenig erfreut. Der Preis für ein Barrel Rohöl stieg binnen Stunden nach Bekanntwerden auf 130 Dollar, und die Aktienmärkte litten trotz Handelsstopps unter massiven Kursverlusten. Tankstellen- und Flugzeugticketpreise schossen in die Höhe, und da die meisten Dinge des alltäglichen Gebrauchs auf die eine oder andere Weise aus Erdöl hergestellt wurden, verteuerten sich auch Gebrauchsgüter jeder Art.
Die OPEC, die so lange auf dem Fahrersitz der Weltwirtschaft gesessen hatte, versuchte, wenigstens einen Teil der Differenz auszugleichen, kam aber nicht einmal annähernd heran. Und anstatt dass der hohe Ölpreis die arabische Welt noch reicher machte, kostete es sie Milliarden, denn im Gegensatz zu den Russen importierten die Araber fast alles, was sie brauchten. Während der Rohölpreis um 40 Prozent stieg, verdoppelte sich der Preis sämtlicher Produkte, die daraus hergestellt wurden. Und da Russland Unmengen an Bargeld bunkerte - nicht zuletzt von ausländischen Investoren - und das Land nur wenig importierte und einen geringen Pro-Kopf-Verbrauch hatte, ging man davon aus, dass Moskau diese Politik sehr lange durchhalten konnte.
Und als wäre das noch nicht genug Schlamassel für eine Woche, hatten die Russen ein weiteres Ass im Ärmel: Ihr Außenminister verkündete, aus einem von den Taliban besetzten Teil Afghanistans würden via Usbekistan und Kasachstan Drogen nach Russland geschmuggelt, was zu einer Zunahme krimineller Aktivitäten führe und die russische Jugend verderbe. Natürlich hatte das auch vorher schon jeder gewusst, nur hatten die Russen nie allzu viel dagegen unternommen. Diesmal jedoch, so erklärte der Außenminister, würde Russland sich nicht an die üblichen diplomatischen Kanäle halten, um das Problem zu lösen. Afghanistan habe diese Geschäfte über Jahre hinweg geduldet, und Russland habe nun die Nase voll.
Und wenn die Russen erst einmal einen Entschluss gefasst hatten, dann handelten sie auch.
Einen Tag später feuerte ein russisches U-Boot fünf Marschflugkörper gegen ein Ausbildungslager der Taliban ab, das nach russischer Lesart ein zentraler Umschlagplatz für den Drogenhandel war. Binnen Sekunden waren 1000 Talibankämpfer tot und ihre Waffen und Ausrüstung zerstört. Die Russen warnten jedes arabische Land, dass es mit der gleichen Behandlung rechnen könne - nur hundert Mal stärker -, sollte man aus Vergeltung für den Militärschlag gegen russische Interessen vorgehen.
Der afghanische Präsident protestierte offiziell ob dieser »nicht provozierten Einmischung in innere Angelegenheiten«; doch in diplomatischen Kreisen wurde dieser Protest nur als pro forma betrachtet, denn die Taliban taten ihr Bestes, um die afghanische Regierung zu stürzen, und der Präsident selbst war bereits Ziel zweier Attentatsversuche durch die Gotteskrieger gewesen. Aus diesem Grund hüpfte der afghanische Staatschef vermutlich vor Freude durch seinen Palast, während er sich gleichzeitig nach außen hin bei Moskau beschwerte.
Teheran wiederum antwortete voller Wut auf den Raketenbeschuss des Taliban-Lagers durch die Russen und wandte sich stehenden Fußes an die UN um Hilfe.
Die Vereinigten Staaten legten ebenfalls sofort Protest bei den Vereinten Nationen ein und begannen mit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Irak und Afghanistan. Das Pentagon erklärte allerdings, dies habe nichts mit den Angriffen auf die Taliban zu tun, sondern sei nur die konsequente Fortsetzung einer seit Längerem festgelegten Regierungspolitik. Insider wussten jedoch - wie vermutlich auch die meisten Amerikaner -, dass diese Umverteilung von Truppenstärken durchaus mit der wachsenden russischen Bedrohung zu tun hatte. Der Nahe Osten war nicht mehr so wichtig. In sämtlichen NATO-Ländern kramten die Generäle ihre alten Verteidigungspläne aus Sowjetzeiten hervor.
Eine große Zeitung verkündete bereits in riesigen Lettern: »Der Kalte Krieg ist wieder da!« Das war vielleicht ein wenig melodramatisch, aber es traf den Punkt.
Zugleich freuten sich amerikanische Militär- und Regierungsvertreter hinter
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