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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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von den Ansichten pensionierter Politiker
    ab?«
    Die
    Fragestellerin
    war
    Jill
    Bernard,
    Wochenendmoderatorin einer lokalen Radiotalkshow, die
    Barbara Hunter jede zweite Woche zu sich einzuladen schien.
    Mrs Hunter erwiderte sofort. »Alle in diesem Saal wissen, dass
    ich mir bei der Nominierung meiner Partei jeden Millimeter an
    Boden selbst erkämpfen musste. Anders als manch anderem
    wurde mir die Nominierung nicht auf einem Tablett gereicht.
    Genauer gesagt, musste ich für alles in meinem Leben kämpfen,
    da sich meine Eltern keine silbernen Löffel leisten konnten. Und
    darf ich Sie daran erinnern, dass ich nicht gezögert habe, fest zu
    meinen Überzeugungen zu stehen, wann immer ich glaubte, dass
    meine Partei sich irrte. Das hat mich nicht immer beliebt
    gemacht, aber niemand hat je meine Unabhängigkeit bezweifelt.
    Falls ich in den Senat gewählt werde, werde ich nicht jeden Tag
    am Telefon hängen, um mir Rat einzuholen, wie ich mich bei
    Abstimmungen verhalten soll. Ich werde selbst Entscheidungen
    treffen und zu ihnen stehen.« Sie endete unter donnerndem
    Applaus.
    Der Knoten in seinem Magen, der Schweiß in seinen
    Handinnenflächen, die Schwäche in seinen Beinen kehrten
    zurück, während Fletcher versuchte, seine Gedanken zu
    sammeln. Er sah ins Publikum hinab und jeder einzelne Blick
    ruhte auf ihm.

    374
    »Ich wurde in Farmington geboren, nur wenige Meilen von
    diesem Saal entfernt. Meine Eltern sind schon lange aktive
    Mitglieder der Gemeinde Hartford, durch ihren Beruf und durch
    ihr ehrenamtliches Engagement, insbesondere für das St Patrick
    Hospital.« Er sah auf seine Eltern hinab, die in der fünften Reihe
    saßen. »Meine Mutter ist im Vorstand so vieler wohltätiger
    Organisationen, dass ich schon glaubte, ich müsse eine Waise
    sein, aber sie sind beide hier, um mich heute Abend zu
    unterstützen. Ja, ich habe Hotchkiss besucht und Mrs Hunter hat
    Recht: Es war ein Privileg. Ja, ich habe in Yale studiert, eine
    großartige Universität von Connecticut. Ja, ich wurde Präsident
    des Studentenausschusses und ja, ich war Herausgeber des Law
    Review, und aus diesem Grund konnte ich mich auch einer der
    angesehensten Kanzleien in New York anschließen. Ich
    entschuldige mich nicht dafür, dass ich nie mit dem zweiten
    Platz zufrieden war. Aber ich war gleichermaßen begeistert, all
    das aufzugeben, damit ich nach Hartford zurückkehren und
    etwas in der Gemeinde bewegen konnte, in der ich
    aufgewachsen bin. Übrigens werde ich mir von dem Gehalt, das
    der Staat mir bietet, keine Silberlöffel leisten können, und
    bislang hat mir noch niemand etwas auf einem Tablett serviert.«
    Das Publikum applaudierte spontan. Er wartete, bis sich der
    Lärm legte, dann senkte er seine Stimme fast zu einem Flüstern.
    »Lassen Sie uns doch darüber reden, was die Fragestellende
    wirklich wissen will. Werde ich regelmäßig meinen
    Schwiegervater, Senator Harry Gates, anrufen? Vermutlich ja,
    ich bin nämlich mit seiner einzigen Tochter verheiratet.« Mehr
    Gelächter folgte. »Aber lassen Sie mich Ihnen auch etwas ins
    Gedächtnis rufen, das Sie über Harry Gates bereits wissen. Er
    hat diesem Wahlkreis achtundzwanzig Jahre ehrenvoll und
    integer gedient, zu einer Zeit, als diese Begriffe ihre Bedeutung
    schon verloren zu haben schienen, und offen gesagt« – Fletcher
    drehte sich zu seiner republikanischen Rivalin um –, »keiner
    von uns verdient es, seinen Platz einzunehmen. Wenn ich

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    gewählt werde, können Sie darauf wetten, dass ich mir seine
    Weisheit, seine Erfahrung und seine Weitsicht zunutze machen
    werde. Nur ein Egoist mit Scheuklappen würde das nicht tun.
    Aber lassen Sie mich auch eines klarstellen« – er sah wieder das
    Publikum an –, » ich werde der Mann sein, der Sie im Senat
    repräsentiert.«
    Fletcher kehrte zu seinem Platz zurück, während über die
    Hälfte des Publikums jubelnd auf die Beine sprang. Mrs Hunter
    hatte den Fehler begangen, ihn auf einem Terrain anzugreifen,
    auf dem er keine Vorbereitung brauchte. Sie versuchte zwar,
    diesen Schnitzer in ihrer Schlussbemerkung auszubügeln, aber
    der Treffer hatte bereits gesessen.
    Als der Moderator sagte, »Ich möchte beiden Kandidaten
    danken«, tat Fletcher etwas, was Harry ihm beim Mittagessen
    am vorherigen Sonntag empfohlen hatte. Er ging sofort zu seiner
    Gegnerin, schüttelte ihr die Hand und wartete, bis der Fotograf
    des Courant diesen Augenblick festgehalten hatte.
    Am nächsten Tag dominierte das

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