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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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mit uns, müssen sie dafür einen sehr
    guten Grund haben.«

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    »Dann denken Sie also auch, dass wir schweigen sollten.«
    Su Ling nickte. »Vor allem nach dem, was meine Mutter
    durchmachen musste …«
    »Und was meine Schwiegermutter zweifellos durchmachen
    würde«, ergänzte Annie. Su Ling lächelte und erhob sich. Sie
    sah ihre Schwägerin an. »Wir wollen nur hoffen, dass sie nie für
    das Amt des Präsidenten kandidieren werden, sonst wird die
    Wahrheit unweigerlich ans Licht kommen.«
    Annie nickte zustimmend.
    »Ich gehe zuerst zurück«, sagte Su Ling. »Und niemand wird
    jemals erfahren, dass diese Unterhaltung stattgefunden hat.«
    *
    Als der Bürgermeister die Mitte des Saales erreichte, erteilte er
    sofort den Befehl, dass eine erneute Auszählung stattfinden
    solle. Der zufriedene Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht die
    Folge guten Essens und noch besseren Weines; vielmehr hatte
    Holbourn das Mittagessen ausfallen lassen, um in Washington
    anzurufen und sich den Rat des Justizministers einzuholen, wie
    sie im Falle eines Gleichstands vorgehen sollten. Die
    Stimmenzähler arbeiteten wie immer gewissenhaft und
    sorgfältig und einundvierzig Minuten später kamen sie zu dem
    exakt gleichen Ergebnis: Stimmengleichheit.
    Der Bürgermeister las noch einmal das Fax des Justizministers
    und befahl zum Erstaunen aller eine erneute Zählung, die
    vierunddreißig Minuten später den Gleichstand bestätigte.
    Sobald der Verwaltungschef seinem gewählten Volksvertreter
    dieses Ergebnis mitgeteilt hatte, bat der Bürgermeister die
    beiden Kandidaten, sich ihm anzuschließen, und kämpfte sich
    dann auf die Bühne vor. Fletcher zuckte mit den Schultern, als
    er Nats Blick auf sich spürte. Die Umstehenden waren so

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    begierig herauszufinden, wie die Angelegenheit denn nun
    ausgehen würde, dass sie rasch zur Seite traten, um den drei
    Männern den Weg freizumachen, als ob Moses seinen Stab über
    die Wasser von Madison gehalten hätte.
    Der Bürgermeister stieg mit den beiden Kandidaten auf die
    Bühne und blieb in der Bühnenmitte stehen, mit Fletcher zur
    Linken und Nat zur Rechten. Holbourn sprach zu einem
    Publikum, das sich trotz der langen Verzögerung zahlenmäßig
    nicht verringert hatte.
    »Meine Damen und Herren, während der Mittagspause habe
    ich die Gelegenheit genutzt und mit dem Justizministerium in
    Washington telefoniert, um mir dort Rat einzuholen, wie wir im
    Falle eines Gleichstands vorgehen sollten.« Diese Aussage
    führte zu einer Stille, die nicht mehr geherrscht hatte, seit die
    Türen um neun Uhr an diesem Morgen geöffnet worden waren.
    »Diesbezüglich habe ich ein Fax erhalten, unterzeichnet vom
    Justizminister,
    das
    die
    gesetzlich
    vorgeschriebene
    Vorgehensweise bestätigt«, fuhr der Bürgermeister fort. Jemand
    hustete und in der Stille, die sich über die Versammlung gesenkt
    hatte, klang es, als ob der Vesuv ausbrach.
    Der Bürgermeister schwieg einen Moment, dann hielt er das
    Fax des Justizministers vor sich. »Wenn bei der Wahl zum
    Gouverneur ein Kandidat die Auszählung drei Mal nacheinander
    gewinnt, soll dieser Kandidat zum Gewinner erklärt werden,
    ungeachtet wie groß oder klein seine Mehrheit ist. Sollte die
    Wahl jedoch zum dritten Mal stimmengleich enden, dann soll
    die Wahl« – er schwieg und dieses Mal hustete niemand –
    »durch das Werfen einer Münze entschieden werden.«
    Die Spannung löste sich und alle redeten gleichzeitig, während
    sie die Bedeutung dieser Worte zu begreifen suchten. Es dauerte
    eine Weile, bevor der Bürgermeister fortfahren konnte.
    Er wartete erneut auf absolute Stille, bevor er einen
    Silberdollar aus seiner Westentasche fischte. Er legte die Münze

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    auf seinen nach oben gedrehten Daumen, dann warf er den
    beiden Bewerbern einen Blick zu, als ob er ihre Zustimmung
    einholen wollte. Beide nickten.
    Einer von ihnen rief »Kopf«, aber er nahm ja immer Kopf.
    Der Bürgermeister verbeugte sich leicht, bevor er die Münze
    hoch in die Luft warf. Aller Augen folgten ihrem Aufstieg und
    ihrem noch schnelleren Fall, bevor sie schließlich auf der Bühne
    aufkam, noch einmal aufsprang und dann zu Füßen des
    Bürgermeisters liegen blieb. Die drei Männer starrten auf den
    fünfunddreißigsten Präsidenten, der ihren Blick entschlossen
    erwiderte.
    Der Bürgermeister hob die Münze auf und drehte sich zu den
    beiden Kandidaten um. Er lächelte den Mann an, der nun zu
    seiner Rechten stand und sagte: »Gestatten Sie mir,

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