Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
Vom Netzwerk:
sprach, während das Beweisstück verschwand. Der
    Geburtsurkunde folgte ein dreiseitiger Brief, datiert auf den 11.
    Mai 1949 und unterzeichnet von Dr. Greenwood. Danach kamen
    mehrere krankenhausinterne Dokumente und Memos, alle aus
    dem Jahr 1949. Dr. Renwick schob sie eines nach dem anderen
    in den Reißwolf, bis nur noch die leere Aktenhülle übrig blieb.
    Auf ihr standen die Namen Nathaniel und Peter Cartwright. Er
    zerriss den Aktendeckel in vier Teile, bevor er die letzten
    Beweise den wartenden Zähnen des Reißwolfs übergab.
    Fletcher erhob sich unsicher vom Stuhl und wollte seinem

    635
    Bruder die Hand schütteln. »Ich sehe dich dann im
    Gouverneurssitz.«
    »Auf jeden Fall.« Nat nahm ihn in die Arme. »Ich werde
    gleich als Erstes eine Rollstuhlrampe einbauen lassen, damit du
    mich regelmäßig besuchen kannst.«
    »Tja, ich muss los«, sagte Fletcher und schüttelte Ben
    Renwick die Hand. »Ich habe eine Wahl zu gewinnen.« Er
    humpelte zur Tür und wollte sie vor Nat erreichen, aber sein
    Bruder sprang vor und öffnete sie ihm.
    »Man hat mich so erzogen, dass ich Frauen, älteren
    Mitbürgern und Invaliden die Für öffne«, erklärte Nat.
    »Du kannst dieser Auflistung noch künftige Gouverneure
    hinzufügen«, erklärte Fletcher und humpelte davon.
    »Hast du meine Abhandlung über Invalidenrenten gelesen?«,
    fragte Nat und holte ihn ein.
    »Nein«, erwiderte Fletcher. »Ich beschäftige mich nie mit
    unpraktischen Ideen, die es niemals in die Gesetzesbücher
    schaffen werden.«
    »Weißt du, ich werde nur eines bedauern«, sagte Nat, sobald
    sie allein im Flur waren und von Dr. Renwick nicht mehr gehört
    werden konnten.
    »Lass mich raten«, sagte Fletcher und wartete auf den
    nächsten frechen Spruch.
    »Ich denke, es wäre wirklich prima gewesen, mit dir als
    Bruder aufzuwachsen.«

    636

52
    DR. RENWICKS VORHERSAGE erwies sich als korrekt.
    Senator Davenport entließ sich am Wochenende aus St Patrick
    und vierzehn Tage später hätte niemand mehr geglaubt, dass er
    nur einen Monat zuvor an der Schwelle des Todes gestanden
    hatte.
    Es waren nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Clinton führte
    weiter die nationalen Umfragen an und Perot warb weitere
    Anhänger von Bush ab. Sowohl Nat als auch Fletcher reisten in
    einem Tempo durch den Bundesstaat, das jeden Olympioniken
    beeindruckt hätte. Keiner wollte den anderen zu einem
    Rededuell herausfordern, doch als ein örtlicher Fernsehsender
    vorschlug, sie sollten einander bei drei Begegnungen
    gegenübertreten, akzeptierten beide ohne viel Federlesens.
    Man war allgemein der Ansicht, dass Fletcher im ersten Duell
    besser abgeschnitten hatte und die Umfragen bestätigten diesen
    Eindruck, denn er ging zum ersten Mal in Führung. Nat
    schränkte umgehend seine Reisen ein und verbrachte mehrere
    Stunden in einer Fernsehstudioattrappe, wo er sich von seinem
    Team coachen ließ. Das zahlte sich aus, denn selbst die
    Demokraten vor Ort mussten einräumen, dass er die zweite
    Runde für sich entschied. Auch in den Umfragen ging Nat
    wieder in Führung.
    Vom letzten Rededuell hing so viel ab, dass beide Männer
    überängstlich versuchten, ja keinen Fehler zu machen, und es
    endete in einer Patt-Situation oder, wie Lucy es nannte, in einem
    ›Langweiler-Gleichstand‹. Keiner der Kandidaten war deshalb
    verstimmt, als sie erfuhren, dass ein konkurrierender
    Fernsehsender ein Footballspiel ausgestrahlt hatte, das zehn Mal
    so viele Zuschauer anlockte wie ihr Rededuell. Die Umfragen
    am folgenden Tag wiesen für beide Kandidaten sechsundvierzig

    637
    Prozent aus, acht Prozent der Wähler waren noch
    unentschlossen.
    »Was haben die in den letzten sechs Monaten gemacht?«,
    verlangte Fletcher zu wissen, als er von den acht Prozent las.
    »Nicht jeder ist von Politik so fasziniert wie du«, meinte
    Annie an diesem Morgen beim Frühstück. Lucy nickte
    zustimmend.
    Fletcher mietete einen Hubschrauber und Nat charterte den
    kleinen Jet der Bank, damit sie in den letzten sieben Tagen
    durch den Bundesstaat fliegen konnten. Die Unentschiedenen
    machten nur noch sechs Prozent aus, was den beiden Rivalen je
    einen Punkt einbrachte. Am Ende der Woche fragten sich die
    beiden, ob es irgendwo noch ein Einkaufszentrum, eine Fabrik,
    einen Bahnhof, ein Rathaus, ein Krankenhaus oder auch nur eine
    Straßenecke gab, die sie noch nicht aufgesucht hatten, und beide
    akzeptierten, dass am Ende derjenige gewinnen würde, der am
    Wahltag über die am besten geölte

Weitere Kostenlose Bücher