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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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macht sich ohnehin nie die Mühe, zur
    Wahl zu gehen. Und nun: Überraschung! Die nächste Wahl
    findet im Mai statt.«
    »Wie viel Zeit hat Stamp dir für deine Entscheidung
    gegeben?«, fragte Annie.

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    »Wir stehen nächsten Montag wieder vor Gericht.«
    »Hast du überhaupt die Zeit, dich auf einen langen Prozess
    einzulassen?«, hakte sie nach.
    »Nein, aber das darf mir nicht als Entschuldigung dienen,
    einen faulen Kompromiss einzugehen.«
    »Dann verbringen wir unsere Ferien also in Gerichtssaal drei,
    nicht wahr?« Annie grinste.
    »Es könnte durchaus auch Gerichtssaal vier werden.« Fletcher
    legte einen Arm um seine Frau.
    »Hast du dir überlegt, Professor Abrahams um Rat zu fragen,
    worauf du plädieren solltest?«
    Jimmy und Fletcher starrten sie ungläubig an. »Er berät
    Präsidenten und Staatsmänner«, sagte Fletcher.
    »Und gelegentlich auch einen Gouverneur«, fügte Jimmy
    hinzu.
    »Dann ist vielleicht die Zeit gekommen, dass er einem
    Jurastudenten im zweiten Jahr einen Rat gibt. Schließlich wird
    er dafür bezahlt.«
    »Ich wüsste nicht, wo ich anfangen soll«, trotzte Fletcher.
    »Wie wäre es, wenn du den Hörer abnimmst und ihn fragst, ob
    du ihn kurz sprechen kannst?«, schlug Annie vor. »Ich wette, er
    fühlt sich geschmeichelt.«

    *

    Nat traf fünfzehn Minuten zu früh bei Mario ein. Er hatte sich
    für das Restaurant entschieden, weil es so schlicht war – Tische
    mit
    rotweiß-karierten
    Tischtüchern,
    ein
    kleines
    Blumenarrangement und Schwarz-Weiß-Fotos von Florenz an

    207
    den Wänden. Tom hatte ihm verraten, dass die Pasta von der
    Frau des Patron selbst zubereitet wurde, und das hatte
    Erinnerungen an ihre Reise nach Rom geweckt. Nat war Toms
    Rat gefolgt und trug ein legeres, blaues Hemd, graue Hosen und
    einen marineblauen Sweater. Keine Krawatte und kein Jackett –
    Tom wäre zufrieden gewesen.
    Nat stellte sich Mario vor, der ihm einen ruhigen Tisch in der
    Ecke anbot. Nachdem Nat die Karte mehrmals gelesen hatte, sah
    er ständig auf die Uhr und wurde immer nervöser. Bestimmt ein
    Dutzend Mal überprüfte er, ob er auch genug Bargeld
    eingesteckt hatte, da in diesem Restaurant keine Kreditkarten
    akzeptiert wurden. Vielleicht wäre es vernünftiger gewesen,
    wenn er stattdessen lieber ein paar Mal um den Block gelaufen
    wäre.
    In dem Augenblick, als er sie sah, wurde ihm klar, dass er es
    vermasselt hatte. Su Ling trug ein elegantes, sehr gut
    geschnittenes, blaues Kostüm, eine cremefarbene Bluse und
    marineblaue Pumps. Nat stand auf und winkte. Sie lächelte – ein
    Lächeln, das er bis dahin noch nicht erlebt hatte und das sie
    noch bezaubernder aussehen ließ. Sie ging auf ihn zu.
    »Es tut mir Leid«, sagte er und wartete, bis sie sich gesetzt
    hatte.
    »Was denn?«, fragte sie und wirkte verblüfft.
    »Meine Kleidung. Ich gebe zu, ich habe lange darüber
    nachgedacht, was ich anziehen sollte, und prompt habe ich mich
    falsch entschieden.«
    »Ich doch auch«, gab Su Ling zu. »Ich hatte erwartet, du
    würdest in Uniform mit allen Orden auftauchen.« Sie zog ihren
    Blazer aus und hängte ihn über die Stuhllehne.
    Nat brach in Gelächter aus und in den nächsten beiden
    Stunden schienen sie ständig zu lachen. Dann fragte Nat, ob sie
    Kaffee wollte.
    »Ja, bitte«, sagte Su Ling.

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    »Ich habe dir von meiner Familie erzählt, jetzt musst du mir
    von deiner erzählen«, bat Nat. »Bist du ein Einzelkind, so wie
    ich?«
    »Ja. Mein Vater war Master Sergeant in Korea, als er meine
    Mutter traf. Sie waren nur wenige Monate verheiratet, als er in
    der Schlacht von Yudam-ni getötet wurde.«
    Nat hätte sich am liebsten vorgebeugt und ihre Hand
    genommen.
    »Es tut mir Leid«, sagte er.
    »Danke«, erwiderte sie nur. »Mom beschloss, nach Amerika
    auszuwandern, damit wir meine Großeltern kennen lernen
    konnten. Aber es gelang uns nie, sie ausfindig zu machen.«
    Diesmal nahm er ihre Hand. »Ich war zu jung, um es zu
    begreifen, aber meine Mutter gab nicht so einfach auf. Sie nahm
    eine Stelle in der Wäscherei von Storrs an, gleich neben der
    Buchhandlung, und der Besitzer erlaubte uns, über der
    Wäscherei zu wohnen.«
    »Ich kenne die Wäscherei«, sagte Nat. »Mein Vater lässt dort
    seine Hemden waschen. Sehr effizient und …«
    »… und das ist es schon, seit meine Mutter das Geschäft
    übernommen hat. Aber es ist hart, alles zu opfern, nur um mir
    eine gute Ausbildung zu ermöglichen.«
    »Deine Mutter scheint meiner sehr ähnlich zu sein«,

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