Die Kandidaten
Tom
leise.
»Ich halte sie für göttlich, aber das hält sie nicht davon ab, an
mir zu zweifeln.«
»Sie hat sich einverstanden erklärt, mit dir essen zu gehen,
also kann sie dich nicht für durch und durch schlecht halten.«
»Schon, aber die Bedingungen für unser Treffen sind
irgendwie ungewöhnlich.« Nat erzählte Tom, was er
versprochen hatte, bevor sie sich mit dem Rendezvous
einverstanden erklärt hatte.
»Wie ich schon sagte, es hat dich schwer erwischt, aber das
ändert nichts an der Tatsache, dass ich unbedingt mit dir reden
muss. Wie wäre es mit Frühstück? Oder gedenkst du, mit dieser
geheimnisvollen asiatischen Dame auch Rührei und Schinken
einzunehmen?«
»Es würde mich sehr überraschen, wenn sie sich dazu
bereiterklären würde«, meinte Nat sehnsüchtig. »Überraschen
und enttäuschen.«
*
»Was meinst du, wie lange der Prozess dauern wird?«, fragte
Annie.
»Wenn wir bei Mord auf ›nicht schuldig‹, aber bei Totschlag
auf ›schuldig‹ plädieren, könnte es an einem einzigen Vormittag
vorüber sein. Vielleicht noch ein zusätzlicher Auftritt vor
Gericht zur Strafmaßverkündung.«
»Wäre das machbar?«
»Ja, die Staatsanwaltschaft hat mir einen Deal vorgeschlagen.«
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»Was für einen Deal?«, fragte Annie.
»Wenn ich der Anklage auf Totschlag zustimme, wird Stamp
nur drei Jahre fordern, was bedeutet, dass Anita Kirsten bei
guter Führung nach achtzehn Monaten auf Bewährung wieder
frei sein könnte. Andernfalls will er auf Mord klagen und die
Todesstrafe fordern.«
»In diesem Bundesstaat wird eine Frau nie und nimmer auf
den elektrischen Stuhl geschickt, weil sie ihren Mann ermordet
hat.«
»Das sehe ich genauso«, meinte Fletcher, »aber harte
Geschworene könnten auf neunundneunzig Jahre befinden und
da die Angeklagte erst fünfundzwanzig ist, kann ich mich der
Einsicht nicht verschließen, dass sie mit achtzehn Monaten
möglicherweise besser dran ist. Wenigstens könnte sie auf diese
Weise den Rest ihres Lebens im Kreise ihrer Familie
verbringen.«
»Stimmt«, gab Jimmy ihm Recht, »aber ich frage mich, warum
der Staatsanwalt bereit ist, drei Jahren zuzustimmen, wenn er
glaubt, einen wasserdichten Fall zu haben? Vergiss nicht, es ist
eine schwarze Frau, die angeklagt ist, einen weißen Mann
ermordet zu haben, und mindestens zwei Geschworene werden
schwarz sein. Wenn du deine Karten richtig ausspielst, könnten
es drei sein und dann kannst du sicher sein, dass sich die
Geschworenen nie einig werden.«
»Außerdem hat meine Mandantin einen guten Ruf, sie geht
einer geregelten Tätigkeit nach und ist nicht vorbestraft. Das
beeinflusst jede Geschworenenrunde, egal welcher Hautfarbe.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, warf Annie ein. »Deine
Mandantin hat ihren Ehemann mit einer Überdosis Curare
ermordet, was zu einer Lähmung führte. Dann setzte sie sich auf
die Treppe und wartete, bis er tot war.«
»Aber er hat sie über Jahre hinweg geschlagen – und auch die
gemeinsamen Kinder misshandelt«, entgegnete Fletcher.
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»Können Sie das beweisen, Herr Anwalt?«, fragte Jimmy.
»Nicht hieb- und stichfest, aber an dem Tag, als sie meine
Mandantin wurde, habe ich mehrere Fotos von den Wundmalen
an ihrem Körper geschossen. Und die Brandnarbe auf ihrer
Handfläche wird sie ohnehin den Rest ihres Lebens nicht mehr
los.«
»Wie ist es dazu gekommen?«, wollte Annie wissen.
»Dieser Mistkerl von einem Ehemann hat ihre Hand auf den
heißen Herd gedrückt und erst losgelassen, als sie in Ohnmacht
fiel.«
»Klingt nach einem entzückenden Kerl«, sagte Annie. »Was
hält dich davon ab, Totschlag zu akzeptieren und mildernde
Umstände in Anspruch zu nehmen?«
»Nur die Angst, dass ich verlieren könnte und Mrs Kirsten
dann den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen muss.«
»Warum hat sie dich überhaupt gebeten, sie zu verteidigen?«,
fragte Jimmy.
»Außer mir wollte keiner den Fall übernehmen«, erwiderte
Fletcher. »Außerdem fand sie meine Honorarforderung
unwiderstehlich.«
»Aber du hast es mit dem Staatsanwalt persönlich zu tun.«
»Das ist ja das Merkwürdige. Ich kann mir einfach nicht
erklären, warum er sich die Mühe macht, den Staat in einem
solchen Fall zu vertreten.«
»Die Frage lässt sich leicht beantworten«, sagte Jimmy.
»Schwarze Frau tötet weißen Mann in einem Bundesstaat, in
dem nur zwanzig Prozent der Bevölkerung schwarz sind, und
über die Hälfte von denen
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