Die Kandidaten
einem
solchen Mann schon entgegensetzen können – eine Frau, die
einen Meter sechzig groß ist und fünfzig Kilo wiegt? Ein
Kissen? Ein Handtuch? Eine Fliegenklatsche vielleicht?«
Fletcher schwieg kurz. »Dieser Gedanke ist Ihnen nie
gekommen, oder?«, fügte er hinzu und sah die anderen
Geschworenen an. »Warum nicht? Weil Ihre Ehemänner und
Ehefrauen nicht verabscheuungswürdig sind. Meine Damen und
Herren, wie können Sie auch nur ansatzweise begreifen, was
diese Frau erleiden musste, tagein und tagaus?
Doch solche Demütigungen reichen diesem Schläger eines
Nachts nicht mehr, als er wieder einmal betrunken nach Hause
kommt. Er geht nach oben, zerrt seine Frau an den Haaren aus
dem Bett, schleppt sie die Treppe hinunter in die Küche. Es
langweilt ihn, sie nur grün und blau zu schlagen.« Fletcher
marschierte auf seine Mandantin zu. »Er braucht einen neuen
Kick, um neue Höhen der Erregung zu erreichen. Und was sieht
Anita Kirsten, als sie in die Küche gezerrt wird? Die Kochplatte
auf dem Herd ist bereits glühend rot und wartet auf ihr Opfer.«
Fletcher drehte sich schwungvoll zu den Geschworenen um.
»Können Sie sich vorstellen, was ihr durch den Kopf gegangen
sein muss, als sie diese Herdplatte sah? Ihr Mann packt ihre
Hand wie ein Stück rohes Steak und presst sie fünfzehn
Sekunden lang auf den Herd.«
Fletcher nahm Mrs Kirstens vernarbte Hand und hielt sie so,
dass die Geschworenen sie deutlich sehen konnten. Dann sah er
auf seine Armbanduhr und zählte auf fünfzehn, bevor er
hinzufügte: »Dann fiel Mrs Kirsten in Ohnmacht. Wer von
Ihnen kann sich eine solch entsetzliche Tat vorstellen,
geschweige denn, sie selbst erdulden zu müssen?
Warum hat der Staatsanwalt neunundneunzig Jahre gefordert?
220
Er hat uns wissen lassen, dass die Tat vorsätzlich geschehen sei.
Es sei ganz sicher keine Tat im Affekt gewesen, hat er uns
versichert, keine Tat, die ein Mensch in Lebensgefahr zu seiner
Verteidigung ausführt.«
Fletcher wirbelte herum, sah den Staatsanwalt an und sagte:
»Natürlich war es vorsätzlich und natürlich wusste sie genau,
was sie tat. Wenn Sie einen Meter sechzig groß wären und von
einem Mann angegriffen würden, der einen Meter
fünfundachtzig misst, würden Sie dann auf Messer, Waffen oder
stumpfe Gegenstände vertrauen, die dieser Schläger mühelos
gegen Sie selbst wenden könnte?« Fletcher drehte sich wieder
um und ging langsam auf die Geschworenen zu. »Wer von
Ihnen wäre denn so dumm? Wer von Ihnen würde nach all dem,
was diese Frau durchgemacht hat, nicht auch die Tat planen?
Denken Sie an diese arme Frau, wenn Sie das nächste Mal einen
Streit mit Ihrem Ehepartner haben. Werden Sie, nachdem Sie
sich wütende Worte an den Kopf geworfen haben, zum Herd
gehen und ihn auf 220 Grad aufheizen, nur um zu beweisen,
dass Sie den Streit gewonnen haben?« Er sah die sieben
männlichen Geschworenen einen nach dem anderen an.
»Verdient ein solcher Mann Ihr Mitgefühl?
Sollte diese Frau wirklich des Mordes schuldig gesprochen
werden, dann frage ich Sie, wer von Ihnen nicht dasselbe getan
hätte, wenn ihm das Pech widerfahren wäre, Alex Kirsten
geheiratet zu haben?«
Dieses Mal wandte Fletcher seine Aufmerksamkeit den fünf
weiblichen Geschworenen zu, bevor er fortfuhr. »›Das habe ich
aber nicht‹, höre ich Sie sagen. ›Ich habe einen guten und
anständigen Mann geheiratet.‹ Dann sind wir uns also alle einig,
worin das Verbrechen von Mrs Kirsten bestand. Sie hat einen
verabscheuungswürdigen Mann geheiratet!«
Fletcher
lehnte
sich
gegen
das
Geländer
der
Geschworenenbank.
221
»Ich muss die Geschworenen um Nachsicht für meine
jugendliche Leidenschaft bitten, aber hier geht es um
Leidenschaft. Ich habe mich entschlossen, diesen Fall zu
übernehmen, weil ich fürchtete, Mrs Kirsten würde keine
Gerechtigkeit widerfahren. Aufgrund meiner Jugend hoffte ich
darüber hinaus, dass zwölf gerecht denkende Bürger und
Bürgerinnen sehen würden, was ich sah, und fähig wären, diese
Frau nicht dazu zu verurteilen, den Rest ihres Lebens im
Gefängnis zu verbringen.
Ich beende mein Schlussplädoyer, indem ich Ihnen mitteile,
was Mrs Kirsten zu mir sagte, als wir heute Morgen allein in
ihrer Zelle saßen. ›Mr Davenport, ich bin zwar erst
fünfundzwanzig, aber ich würde lieber den Rest meines Lebens
im Gefängnis verbringen, als noch eine weitere Nacht unter
demselben Dach mit diesem
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