Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
für eine Chance hatte ich wohl gegen Seth?
Aus solchen Gedanken wurde ich gerissen, als wir aus dem Portal herauskamen. Wir waren hundertprozentig nicht in Thots Büro gelandet.
Vor uns ragte eine Pyramide aus Glas und Stahl auf, die fast genauso groß war wie die in Gizeh. In der Ferne erhob sich die Skyline von Memphis. Hinter uns lagen die Ufer des Mississippi.
Die Sonne ging unter und färbte den Fluss und die Pyramide golden. Auf der Eingangstreppe der Pyramide, neben einer ungefähr sieben Meter hohen Statue mit der Aufschrift Ramses der Große , hatte Thot ein Picknick mit Spareribs und Rinderbrust, Brot und Mixed Pickles vorbereitet, das volle Programm. Er spielte auf einer Gitarre, die er an einen tragbaren Verstärker angeschlossen hatte. Cheops stand neben ihm und hielt sich die Ohren zu.
»Ah, schön.« Thot klimperte einen Akkord, der wie der Todesschrei eines kranken Maultiers klang. »Ihr lebt.«
Erstaunt starrte ich die Pyramide an. »Wo kommt die denn her? Die hast du nicht gerade … gebaut, oder?« Ich erinnerte mich an den Ausflug meines Ba zu Seths roter Pyramide und stellte mir vor, wie die Götter überall in den USA Bauwerke errichten würden.
Thot kicherte vor sich hin. »Ich brauchte sie nicht zu bauen. Das haben mir die Bürger von Memphis abgenommen. Die Menschen können Ägypten nie richtig vergessen. Jedes Mal, wenn sie eine Stadt an einem Fluss bauen, erinnern sie sich an ihr Erbe, das tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben ist. Das ist die Pyramid Arena – die sechstgrößte Pyramide der Welt. Es war früher eine Sportarena für … Wie heißt das Spiel noch mal, auf das du so abfährst, Cheops?«
»Agh!« , antwortete Cheops entrüstet. Und ich schwöre, er hat mir einen bösen Blick zugeworfen.
»Ach ja, Basketball«, sagte Thot. »Aber die Arena hat harte Zeiten hinter sich. Sie steht seit Jahren leer. Na ja, jetzt nicht mehr. Ich ziehe gerade dort ein. Habt ihr das Anch?«
Einen Moment lang bezweifelte ich, dass es eine so gute Idee gewesen war, Thot zu helfen, doch wir brauchten ihn. Ich warf ihm die Halskette zu.
»Hervorragend«, lobte er. »Ein Anch von Elvis’ Grabmal. Ein machtvoller Zauber!«
Sadie ballte die Fäuste. »Wir sind fast dabei draufgegangen, um das zu kriegen. Du hast uns reingelegt.«
»Nicht reingelegt«, widersprach er. »Es war ein Test.«
»Diese Dinger «, sagte Sadie, »diese Uschebti –«
»Ja, das war das Beste, was ich seit Jahrhunderten auf die Beine gestellt habe. Echt schade, dass sie kaputtgegangen sind, aber ich konnte schließlich nicht zulassen, dass ihr echte Magier zusammenschlagt, oder? Uschebti geben super Doppelgänger ab.«
»Du hast also alles gesehen?«, brummte ich.
»Na klar.« Thot streckte die Hand aus. Auf seiner Handfläche tanzten zwei kleine Feuer – die magische Substanz, die wir aus dem Mund der Uschebti hatten davonschweben sehen. »Das sind … Aufnahmegeräte, würdet ihr vermutlich dazu sagen. Sie haben mir einen kompletten Bericht überbracht. Du hast die Uschebti geschlagen, ohne sie zu töten. Ich muss gestehen, Sadie, ich bin beeindruckt. Du hattest sowohl deine magischen Kräfte als auch Isis unter Kontrolle. Und du, Carter, hast dich bei deiner Verwandlung in eine Eidechse geschickt angestellt.«
Ich dachte, er wollte mich aufziehen. Doch dann entdeckte ich ehrliches Mitleid in seinen Augen, offenbar war mein Versagen auch eine Art Test gewesen.
»Du wirst es noch mit schlimmeren Feinden zu tun bekommen, Carter«, warnte er. »Schon jetzt schickt das Lebenshaus die Besten gegen euch vor. Doch du wirst auch Freunde finden, wo du es am wenigsten erwartest.«
Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte das Gefühl, er redete von Zia … vielleicht war das aber auch nur Wunschdenken.
Thot stand auf und reichte Cheops seine Gitarre. Er warf das Anch in Richtung der Ramses-Statue und die Kette legte sich von selbst um den Hals des Pharaos.
»So, das war’s dann, Ramses«, sagte Thot zu der Statue. »Auf dein neues Leben.«
Die Statue leuchtete auf, als wäre der Sonnenuntergang gerade zehnmal strahlender geworden. Wenig später breitete sich das Leuchten auf die ganze Pyramide aus, danach erlosch es langsam.
»Ach ja«, sinnierte Thot. »Ich glaube, ich werde hier glücklich sein. Wenn ihr Kinder mich das nächste Mal besucht, hab ich ein sehr viel größeres Labor.«
Ein beängstigender Gedanke, aber ich versuchte, mich nicht ablenken zu lassen.
»Wir haben nicht nur das Anch gefunden«,
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