Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
zwar menschlich, seine Haut jedoch blassgrün und um seine Taille lag ein grüner gepanzerter Schurz, der wie Reptilhaut aussah. Er hatte einen Krokodilkopf, ein riesiges Maul voll schiefer weißer Zähne und seine Augen glänzten schleimig grün (oh ja, ich weiß – voll der Traumtyp). Seine schwarzen Haare hingen in Zöpfen über die Schultern und aus seinem Kopf wuchsen Stierhörner. Als wäre das nicht schräg genug, schien er auch noch abartig zu schwitzen – öliges Wasser rann in sintflutartigen Strömen an ihm herunter und in den Fluss.
Er hob seinen Zauberstab – ein Stück grünes Holz von der Länge eines Telefonmasts.
Bastet brüllte: »Zurück!«, und riss mich nach hinten, als der Krokodilmann an der Stelle, wo ich gestanden hatte, einen anderthalb Meter tiefen Graben in die Uferböschung schlug.
Er grölte: »Horus!«
Ich wollte auf keinen Fall Hier! rufen. Doch in meinem Kopf drängte Horus: Tritt ihm entgegen. Sobek versteht nur Stärke. Lass dich nicht von ihm packen, sonst zieht er dich unter Wasser und ertränkt dich.
Ich schluckte meine Angst herunter und brüllte: »Sobek! He, du, äh, Weichei! Was geht, Alter?«
Sobek fletschte die Zähne. Vielleicht war das seine Art, freundlich zu lächeln. Vielleicht auch nicht.
»Dieser Körper hilft dir nicht weiter, Falkengott«, erwiderte er. »Ich werd dich in Stücke reißen.«
Neben mir fuhr Bastet ihre Klingen in den Ärmeln aus. »Lass dich nicht von ihm packen«, warnte sie.
»Schon klar«, sagte ich. Mir war bewusst, dass Cheops rechts von mir Sadie langsam die Böschung hochschleifte. Ich musste diesen grünen Typen ablenken – wenigstens bis sie in Sicherheit waren. »Sobek, Gott der … Krokodile, vermute ich mal! Lass uns in Frieden oder wir machen dich platt!«
Gut, lobte Horus. ›Plattmachen‹ ist gut.
Sobek schüttelte sich vor Lachen. »Dein Sinn für Humor hat sich gebessert, Horus. Du und dein Kätzchen wollt mich vernichten?« Er richtete seinen schleimverschmierten Blick auf Bastet. »Was führt dich in mein Reich, Katzengöttin? Ich dachte, du kannst Wasser nicht leiden?«
Beim letzten Wort deutete er mit seinem Zauberstab auf uns und zielte mit einem grünen Wasserstrahl in unsere Richtung. Bastet war zu schnell für ihn. Sie sprang hoch und landete mitsamt ihrem voll ausgeformten Avatar hinter Sobek – eine riesige, leuchtende katzenköpfige Kriegerin. »Verräter!«, schrie Bastet. »Warum verbündest du dich mit dem Chaos? Du bist dem König verpflichtet!«
»Welchem König?«, tobte Sobek. »Re? Re ist nicht mehr da. Und Osiris ist wieder mal tot, der Schlappschwanz! Dieser Bubi da kann den Thron nicht einnehmen. Es gab eine Zeit, in der ich Horus unterstützt habe, wohl wahr. Doch in dieser Gestalt hat er keine Kraft. Er hat keine Anhänger. Seth hat Macht zu bieten. Seth hat frisches Fleisch zu bieten. Ich denke, ich fange mit dem Fleisch der Gottlinge an!«
Er wandte sich zu mir und schwang seinen Zauberstab. Ich duckte mich vor dem Schlag, doch seine freie Hand schnellte vor und packte mich um die Mitte. Ich war einfach nicht schnell genug. Bastet setzte zum Sprung auf den Feind an, doch bevor sie sich auf ihn stürzen konnte, ließ Sobek seinen Zauberstab fallen, griff mich mit seinen Riesenhänden und zerrte mich ins Wasser. Dann erinnere ich mich nur noch daran, wie ich in kalter grüner Brühe versank. Ich konnte weder sehen noch atmen. Ich versank in der Tiefe, während Sobeks Hände die Luft aus meinen Lungen pressten.
Jetzt oder nie!, sagte Horus. Lass mich die Führung übernehmen.
Nein, sagte ich. Lieber sterbe ich.
Ich fand den Gedanken seltsam beruhigend. Wenn ich tot wäre, bräuchte ich keine Angst mehr zu haben. Ich könnte ebenso gut mit fliegenden Fahnen untergehen.
Ich sammelte meine Kraft und Stärke durchflutete meinen Körper. Ich spannte die Armmuskeln an und spürte, wie Sobeks Griff schwächer wurde. Ich rief den Avatar des Falkenkriegers herbei und sofort umhüllte mich eine leuchtende goldene Gestalt von der Größe Sobeks. Ich konnte ihn bloß im dunklen Wasser sehen: Seine Schleimaugen waren vor Überraschung aufgerissen.
Ich befreite mich aus seiner Umklammerung und rammte meinen Kopf gegen seinen, was ihn ein paar Zähne kostete. Danach schoss ich aus dem Wasser und landete neben Bastet am Ufer. Sie war so verdattert, dass sie mich beinahe aufgeschlitzt hätte.
»Re sei Dank!«, rief sie.
»Ja, ich lebe.«
»Das meine ich nicht. Ich wäre dir fast
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