Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

ihn noch nie so verängstigt gesehen. »Wir müssen los«, drängte er. »Jetzt.«

CARTER
    33.
    Wir steigen ins Salsageschäft ein
    Du hast was vergessen, erinnerte mich Horus.
    Hab gerade was anderes zu tun!, antwortete ich.
    Wenn ihr denkt, es sei einfach, ein magisches Boot durch den Himmel zu lenken, täuscht ihr euch! Da ich nicht wie Amos einen Mantel besaß, den ich lebendig machen konnte, stand ich im Heck und versuchte eigenhändig, das Ruder zu bewegen. Es war, wie Zement umzurühren. Ich konnte nicht sehen, wohin wir flogen. Wir schwankten hin und her und Sadie gab sich alle Mühe, dass die bewusstlose Zia nicht über Bord ging.
    Es ist mein Geburtstag, beharrte Horus. Du musst mir alles Gute zum Geburtstag wünschen!
    »Alles Gute zum Geburtstag!«, brüllte ich. »Jetzt halt die Klappe!«
    »Carter, was ist denn mit dir los?«, rief Sadie und hielt sich mit einer Hand an der Reling fest, während sie mit der anderen Zia umklammerte, als das Boot zur Seite kippte. »Hast du den Verstand verloren?«
    »Nein, ich habe mit – ach, vergiss es.«
    Ich sah hinter mich. Etwas kam näher – eine grelle Gestalt, die die Nacht erhellte. Sie ähnelte vage einem Menschen und konnte einfach nichts Gutes bedeuten. Ich versuchte, das Boot zu beschleunigen.
    Hast du ein Geschenk für mich?, quengelte Horus.
    Kannst du vielleicht mal helfen?, fragte ich. Das Dings folgt uns – ist es das, wofür ich es halte?
    Ach. Horus klang gelangweilt. Das ist Sachmet. Das Auge des Re, die Vernichterin der Bösen, die große Jägerin, Dame der Flammen und so weiter.
    Toll, dachte ich. Und sie folgt uns, weil –
    Der Oberste Vorlesepriester kann sie einmal in seinem Leben herbeirufen, erklärte Horus. Es ist ein sehr, sehr altes Geschenk – es geht auf die Tage zurück, als Re die Menschen zum ersten Mal mit Magie segnete.
    Einmal in seinem Leben, dachte ich. Und Desjardins entscheidet sich, es ausgerechnet jetzt zu tun?
    Geduld war noch nie seine Stärke.
    Ich dachte, Magier können Götter nicht leiden!
    Tun sie auch nicht, sagte Horus. Es beweist bloß, was für ein Heuchler er ist. Aber euch umzubringen ist ihm wohl wichtiger, als auf Prinzipien herumzureiten. Davor ziehe ich den Hut.
    Ich drehte mich noch einmal um. Die Gestalt kam definitiv näher – eine goldene Riesenfrau in leuchtend roter Rüstung, in der einen Hand hielt sie einen Bogen und auf ihrem Rücken hing ein Köcher mit Pfeilen. Sie schoss wie eine Rakete auf uns zu.
    Wie sollen wir gegen sie ankommen?, fragte ich.
    Das kannst du so ziemlich vergessen, meinte Horus. Sie ist die verkörperte Wut der Sonne. Als Re noch aktiv war, wäre sie noch viel beeindruckender gewesen, trotzdem … Sie ist nicht zu bremsen. Die geborene Killerin. Eine Mordmaschine –
    »Okay, ich hab’s kapiert!«, brüllte ich.
    »Was?«, fragte Sadie so laut, dass Zia sich bewegte.
    »Wa – was?« Sie sah sich blinzelnd um.
    »Nichts«, rief ich. »Wir werden von einer Mordmaschine verfolgt. Schlaf weiter.«
    Zia setzte sich benommen auf. »Von einer Mordmaschine? Du meinst doch nicht etwa –?«
    »Carter, steuer nach links!«, schrie Sadie.
    Ich riss das Ruder herum, als ein enormer glühender Pfeil unsere Backbordseite streifte. Er explodierte über uns und setzte das Dach der Hütte auf dem Deck in Brand.
    Ich lenkte das Boot in den Sturzflug und Sachmet schoss über uns hinweg, anschließend drehte sie allerdings mit aufreizender Gewandtheit eine Pirouette in der Luft und stürzte uns hinterher.
    »Wir brennen«, bemerkte Sadie hilfreicherweise.
    »Auch schon gemerkt!«, brüllte ich zurück.
    Ich suchte die Gegend unter uns ab, aber nirgendwo gab es einen sicheren Landeplatz – bloß Wohngebiete und Bürokomplexe.
    »Sterbt, Feinde des Re!«, brüllte Sachmet. »Geht elendiglich zu Grunde!«
    Sie ist fast so nervig wie du, sagte ich zu Horus.
    Unmöglich, erwiderte Horus. Darin ist Horus unschlagbar.
    Ich machte noch ein Ausweichmanöver und Zia schrie: »Dort!«
    Sie deutete auf eine hell erleuchtete Fabrikanlage mit Lastern, Lagerhäusern und Silos. Auf das größte Lagerhaus war seitlich eine riesengroße Chilischote gemalt und ein angestrahltes Schild verkündete: MAGIC SALSA, INC.
    »Ach, komm«, sagte Sadie. »Das ist doch nicht wirklich magisch! Es ist bloß ein Name.«
    »Nein«, beharrte Zia. »Ich habe eine Idee.«
    »Wieder diese sieben Bänder?«, riet ich. »Die du bei Selket benutzt hast?«
    Zia schüttelte den Kopf. »Die kann man nur einmal im Jahr