Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
dahinterkam, war er stinkwütend, aber es war zu spät. Die Kinder waren bereits geboren. Ihre Namen waren Osiris –«
»Hinter dem Dad her war.«
»Dann Horus, Seth, Isis und, äh …« Carter sah auf die Schriftrolle. »Nephthys, die vergess ich immer.«
»Und der glutrote Typ im Museum meinte: Du hast alle fünf freigesetzt .«
»Genau. Vielleicht waren sie ja alle zusammen eingesperrt und Dad hat es nicht gewusst? Sie wurden gemeinsam geboren, vielleicht mussten sie auch alle in die Welt zurückgerufen werden. Die Sache ist, einer dieser Typen, Seth, ist ein richtig mieser Vogel. Sozusagen der Bösewicht der ägyptischen Mythologie. Der Gott des Bösen und des Chaos und der Wüstenstürme.«
Ich zitterte. »Hatte er vielleicht auch was mit Feuer zu tun?«
Carter deutete auf eine der Figuren auf dem Bild. Der Gott hatte einen Tierkopf, aber ich konnte nicht genau erkennen, welches Tier es sein sollte: Hund? Ameisenbär? Ein bösartiges Häschen? Was auch immer es war, seine Haare und seine Klamotten waren knallrot.
»Der Rote Lord«, stellte ich fest.
»Sadie, das ist noch nicht alles«, meinte Carter. »Diese fünf Tage – die Dämonentage – galten im Alten Ägypten als unheilvoll. Man musste sehr vorsichtig sein, Glücksbringer tragen und durfte an diesen Tagen nichts Wichtiges oder Gefährliches tun. Und im British Museum hat Dad zu Seth gesagt: Sie werden dich aufhalten, bevor die Dämonentage vorbei sind .«
»Erzähl mir nicht, dass er damit uns meinte«, sagte ich. »Sollen wir etwa diesen Seth-Knilch aufhalten?«
Carter nickte. »Und wenn die letzten fünf Tage unseres Kalenderjahres immer noch als die ägyptischen Dämonentage zählen – dann fangen sie am siebenundzwanzigsten Dezember an, übermorgen.«
Der Uschebti schien mich erwartungsvoll anzustarren, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich tun sollte. Dämonentage und bösartige Häschengötter – wenn ich noch eine einzige Sache hörte, die einfach nicht sein konnte, würde mein Kopf explodieren.
Und das Schlimmste daran? Die leise, hartnäckige Stimme in meinem Hinterkopf, die sagte: Es ist nicht unmöglich. Wir müssen Seth besiegen, um Dad zu retten .
Als ob das auf meiner Aufgabenliste für die Weihnachtsferien gestanden hätte. Besuch von Dad – abgehakt. Merkwürdige Kräfte entwickeln – abgehakt. Bösartigen Gott des Chaos besiegen – abgehakt. Die ganze Vorstellung war wahnsinnig!
Plötzlich hörten wir ein lautes Krachen, als wäre etwas im Großen Saal zerborsten. Cheops begann laut zu bellen.
Carter und ich sahen uns an. Dann rannten wir zur Treppe.
8.
Muffin spielt mit Messern
Unser Pavian schien gerade eine seiner Anwandlungen zu haben – will heißen, er drehte vollkommen durch.
Er schwang sich im Großen Saal von Säule zu Säule, hangelte sich an den Rängen entlang und warf Töpfe und Statuen um. Dann rannte er zu den Terrassenfenstern, starrte für einen Augenblick nach draußen und rastete wieder aus.
Auch Muffin war beim Fenster. Sie kroch auf allen vieren und ihr Schwanz zuckte, als pirschte sie sich an einen Vogel heran.
»Vielleicht fliegt gerade ein Flamingo vorbei«, sagte ich hoffnungsvoll.
Wir rannten zu den Glastüren. Zuerst fiel mir nichts auf. Dann spritzte plötzlich im Pool das Wasser hoch und mir blieb fast das Herz stehen. Zwei riesige Geschöpfe, und zwar definitiv keine Flamingos, schlugen sich mit unserem Krokodil, Philipp von Makedonien.
Was sie genau waren, konnte ich nicht erkennen, ich sah bloß, dass sie zu zweit auf Philipp losgingen. Als sie in dem brodelnden Wasser untertauchten, tobte Cheops wieder kreischend durch den Großen Saal und haute sich mit der leeren Cheerios-Schachtel auf den Kopf, was ich nicht übermäßig hilfreich fand.
»Langhälse«, stellte Carter ungläubig fest. »Sadie, hast du diese Dinger gesehen ?«
Mir fehlten die Worte. Eines der Geschöpfe wurde aus dem Pool geworfen. Es klatschte gegen die Tür vor uns und ich machte einen Satz nach hinten. Auf der anderen Seite der Scheibe stand das furchterregendste Tier, das ich je gesehen hatte. Sein Körper glich dem eines Leoparden – schmal und sehnig, mit geflecktem goldenem Fell –, aber mit seinem Hals war etwas richtig schiefgelaufen. Er war grün und schuppig und mindestens so lang wie der restliche Körper. Das Vieh hatte den Kopf einer Katze, allerdings keiner normalen Katze. Als es seine glühend roten Augen auf uns richtete, brüllte es und entblößte eine
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