Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
unangenehmes Gefühl, es war wie eine raue Decke, die auf meiner Haut kratzte.
»Unsere Eltern entstammen unterschiedlichen königlichen Geschlechtern«, sagte ich. »Dad … stammt wohl von Narmer ab, dem ersten Pharao. Hab ich dir nicht gesagt, dass er diesem Typ auf dem Bild ähnlich sieht?«
»Das kann nicht sein«, widersprach Carter. »Das war vor fünftausend Jahren.« Doch ich konnte sehen, wie es in seinem Kopf ratterte. »Und die Fausts …« Er wandte sich an Zia. »Ramses der Große hat diesen Innenhof gebaut. Willst du mir erzählen, dass er einer von Moms Vorfahren ist?«
Zia seufzte. »Jetzt sag bloß nicht, dass eure Eltern euch auch davon nichts erzählt haben. Was glaubst du, warum ihr so gefährlich für uns seid?«
»Du unterstellst uns, dass wir Götter beherbergen«, stellte ich fest. Ich war echt sprachlos. »Deshalb machst du dir Sorgen – bloß wegen etwas, das irgendwelche Urururvorfahren irgendwann mal getan haben? Das ist doch voll bescheuert.«
»Dann beweis es!«, forderte mich Zia auf. »Kämpft gegeneinander und zeigt mir, wie schwach eure magischen Fähigkeiten sind!«
Sie drehte uns den Rücken zu, als wären wir ihr völlig egal.
Mir reichte es. Ich hatte die zwei schlimmsten Tage meines Lebens hinter mir. Ich hatte meinen Vater verloren und meine Katze, war von Ungeheuern angegriffen und mit Eiswasser übergossen worden. Und jetzt drehte mir diese Hexe auch noch den Rücken zu. Sie wollte uns nicht ausbilden. Sie wollte rausfinden, wie gefährlich wir waren.
Konnte sie haben.
»Und, Sadie?«, rief Carter. Er musste an meinem Gesichtsausdruck abgelesen haben, dass es mir egal war, ob ich mich besonders vernünftig verhielt oder nicht.
Ich konzentrierte mich auf meinen Zauberstab. Vielleicht nicht Feuer. Ich war immer gut mit Katzen klargekommen. Vielleicht …
Ich warf meinen Zauberstab in Zias Richtung. Er rammte sich vor ihren Fersen in den Boden und verwandelte sich auf der Stelle in eine fauchende Löwin. Zia wirbelte überrascht herum, doch von da an lief alles schief.
Die Löwin drehte sich um und stürzte sich auf Carter, als wüsste sie, dass ich gegen ihn kämpfen sollte.
Mir blieb gerade eine Sekunde, um mir zu überlegen: Was habe ich angestellt?
Dann machte die Raubkatze einen Satz … und der Umriss von Carters Körper fing zu flackern an. Er stieg als goldener holografischer Avatar in die Luft. Er ähnelte der Hülle, die Bastet benutzt hatte, allerdings war Carters Abbild ein riesiger Krieger mit einem Falkenkopf. Carter schwang sein Schwert, der Falkenkrieger tat dasselbe und schlitzte die Löwin mit einer schimmernden Energieklinge auf. Die Raubkatze verschwand mitten im Sprung und mein Zauberstab polterte – ordentlich in zwei Hälften zerteilt – zu Boden.
Carters Schutzavatar schimmerte, dann löste auch er sich auf. Carter stürzte zu Boden und grinste. »Krass.«
Er sah nicht mal müde aus. Nachdem ich mit Erleichterung festgestellt hatte, dass ich ihn nicht umgebracht hatte, merkte ich, dass ich auch nicht müde war. Wenn überhaupt, hatte ich das Gefühl, mehr Energie zu besitzen.
Ich sah Zia herausfordernd an. »Und? Schon besser, oder?«
Ihr Gesicht war aschgrau. »Der Falke. Er … Er hat –«
Bevor sie den Satz beenden konnte, hallten Tritte auf den Steinen. In Panik kam ein junger Initiand auf den Säulenhof gerannt. Über sein staubiges Gesicht liefen Tränen. Er sagte hastig etwas auf Arabisch zu Zia. Als sie seine Nachricht hörte, ließ sie sich in den Sand fallen, schlug die Hände vors Gesicht und fing zu zittern an.
Carter und ich verließen unsere Kreise und rannten zu ihr.
»Zia?«, fragte Carter. »Was ist denn los?«
Sie holte tief Luft und versuchte ihre Fassung wiederzugewinnen. Als sie aufsah, waren ihre Augen gerötet. Sie sagte etwas zu dem Boten, der nickte. Dann rannte er den Weg zurück, den er gekommen war.
»Neuigkeiten aus dem Ersten Nomos«, erklärte sie mit schwacher Stimme. »Iskander …« Ihre Stimme versagte.
Mir war, als hätte eine riesige Faust mir einen Schlag in den Magen verpasst. Ich dachte an Iskanders seltsame Worte letzte Nacht: Wie es aussieht, finde auch ich endlich Ruhe . »Er ist tot, oder? Das hat er gemeint.«
Zia starrte mich an. »Was soll das heißen: ›Das hat er gemeint‹?«
»Ich …« Um ein Haar hätte ich zugegeben, dass ich in der Nacht zuvor mit Iskander geredet hatte. Dann wurde mir klar, dass ich das vielleicht besser für mich behielt. »Ach, nichts.
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