Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Hühnergestalt vorbeischwebte, aber anscheinend war ich für ihn unsichtbar.
Als er einen Schritt vorwärts machte, flackerte auf dem Boden zu seinen Füßen plötzlich eine rote Hieroglyphe auf. Amos stieß einen Schrei aus, sein Mund blieb halb offen stehen. Wie Weinreben wickelten sich Lichtspiralen um seine Beine. Nach kurzer Zeit war Amos vollständig von roten Ranken umwunden und konnte sich nicht rühren, seine Augen starrten unverwandt geradeaus.
Ich versuchte, zu ihm zu fliegen, aber ich flatterte auf der Stelle und konnte nur hilflos zusehen.
Durch die Höhle hallte Gelächter. Aus der Dunkelheit tauchte eine Horde Dinger auf – Krötengeschöpfe, tierköpfige Dämonen und sogar noch seltsamere Ungeheuer, die in der Düsternis kaum zu erkennen waren. Sie hatten offensichtlich auf der Lauer gelegen – und Amos erwartet. Vor ihnen erschien eine glutrote Silhouette – Seth. Jetzt war sein Umriss allerdings viel deutlicher und er hatte nichts Menschliches an sich. Sein Körper war ausgemergelt, schleimig und schwarz und sein Kopf der einer wilden Bestie.
» Bonsoir , Amos«, sagte Seth. »Wie nett von dir vorbeizukommen. Wir werden viel Spaß zusammen haben!«
Zurück in meinem eigenen Körper saß ich kerzengerade im Bett, mein Herz klopfte wie verrückt.
Amos war gefangen genommen worden. Da war ich mir sicher. Oder sogar noch schlimmer … Irgendwoher hatte Seth gewusst, dass Amos kommen würde. Mir fiel wieder ein, welchen Grund Bastet dafür genannt hatte, dass die Serpoparden in die Villa einbrechen konnten. Ihrer Meinung nach hatte wohl jemand die Abwehrmaßnahmen sabotiert und das konnte nur ein Magier des Hauses gewesen sein. Mir kam ein schrecklicher Verdacht.
Lange Zeit starrte ich in die Dunkelheit und hörte meinem Bettnachbarn zu, der im Schlaf Zaubersprüche vor sich hin murmelte. Als ich es nicht mehr aushielt, öffnete ich die Tür, indem ich ihr – wie schon der in Amos’ Villa – in Gedanken einen Stoß versetzte. Dann schlich ich mich hinaus.
Ich lief ziellos über den verlassenen Marktplatz, und während ich über Dad und Amos nachdachte, die Ereignisse immer wieder vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, überlegte, was ich hätte anders machen sollen, um sie zu retten, entdeckte ich plötzlich Zia.
Sie eilte über den Platz, als würde sie verfolgt. Was mich jedoch wirklich neugierig machte, war die schimmernde schwarze Wolke um sie herum. Es sah aus, als hätte jemand sie in einen glitzernden Schatten gehüllt. Vor einer kahlen Wand blieb sie stehen und hob die Hand. Plötzlich erschien ein Eingang. Zia sah sich nervös um und schlüpfte hinein.
Natürlich folgte ich ihr.
Leise schlich ich mich zum Eingang. Im Inneren konnte ich Zias Stimme hören, aber ich verstand nicht, was sie sagte. Als der Eingang plötzlich fester wurde und sich wieder in eine Wand verwandelte, traf ich blitzschnell eine Entscheidung. Ich sprang hindurch.
Zia war allein und wandte mir den Rücken zu. Sie kniete vor einem Steinaltar und sang leise etwas vor sich hin. Die Wände waren mit altägyptischen Zeichnungen und modernen Fotografien geschmückt.
Zia war nicht mehr in den glitzernden Schatten gehüllt, stattdessen passierte etwas noch Seltsameres. Eigentlich hatte ich Zia von meinem Albtraum erzählen wollen, doch als ich sah, was sie tat, vergaß ich das völlig. Sie legte die Hände aneinander, als würde sie einen Vogel halten. Daraufhin erschien zwischen ihren Handflächen eine leuchtende blaue Kugel von der Größe eines Golfballs. Noch immer singend hob sie die Hände. Die Kugel flog nach oben, direkt durch die Decke hindurch und verschwand.
Irgendetwas sagte mir, dass das nicht für meine Augen bestimmt gewesen war.
Sollte ich den Raum verlassen? Da gab es nur ein Problem: Die Tür war weg. Ansonsten waren keine Ausgänge zu sehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis – ups .
Vielleicht hatte ich ein Geräusch von mir gegeben. Vielleicht hatte sich ihr magischer Sinn eingeschaltet. Doch schneller, als ich reagieren konnte, zog Zia ihr Zaubermesser und richtete es auf mich. Am Rand des Bumerangs züngelten Flammen.
»Hi«, sagte ich nervös.
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich: Wut verwandelte sich in Überraschung und dann wieder in Wut. »Carter, was hast du hier zu suchen?«
»Ich lauf nur so ein bisschen herum. Ich hab dich auf dem Platz gesehen, da –«
»Was soll das heißen, du hast mich gesehen ?«
»Na ja … du bist gerannt und um dich herum war dieses
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