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Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Titel: Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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machen, aber vielleicht doch nicht ganz so blöd, wie Sadie sich fühlte. Sie hatte immer noch einen Vogelkörper, huschte auf dem Tisch hin und her und klapperte frustriert mit dem Schnabel, während sie versuchte, sich zurückzuverwandeln.
    »Bleib stehen!«, befahl Marshmallow. »Das hier ist alt – genau hier.«
    Ich holte einen dünnen leinengebundenen Band herunter. Er war so winzig, dass ich ihn hundertprozentig übersehen hätte, auf der Vorderseite waren tatsächlich Hieroglyphen. Ich trug ihn zum Tisch und schlug ihn vorsichtig auf. Es war eher eine Landkarte als ein Buch und ließ sich in vier Richtungen aufklappen. Schließlich hatte ich eine lange, breite Papyrusrolle vor mir, deren Schrift so alt war, dass ich die Zeichen kaum erkennen konnte.
    Ich sah zu Sadie. »Ich wette, wenn du kein Vogel wärst, könntest du mir das vorlesen.«
    Sie versuchte noch einmal, nach mir zu hacken, aber ich zog die Hand weg.
    »Marshmallow«, sagte ich. »Was ist diese Rolle?«
    »Ein längst vergessener Zauberspruch!«, behauptete er. »Alte Worte mit ungeheurer Macht!«
    »Und?«, wollte ich wissen. »Verrät er, wie wir Seth besiegen können?«
    »Besser! Der Titel lautet: Das Buch vom Herbeirufen von Flughunden !«
    Ich starrte ihn an. »Ist das dein Ernst?«
    »Warum sollte ich Witze machen?«
    »Wer will denn Flughunde herbeirufen?«
    »Ha – ha – ha«, krächzte Sadie.
    Ich schob die Rolle zur Seite und wir suchten weiter.
    Ungefähr zehn Minuten später quietschte Marshmallow entzückt. »Oh, schau mal! Ich erinnere mich an dieses Gemälde.«
    Es war ein kleines Ölporträt in einem Goldrahmen und hing am Ende eines Bücherregals. Es musste wichtig sein, denn es wurde von kleinen Seidenvorhängen umrahmt. Im Licht der Lampe über dem Porträt sah der Typ aus wie jemand, der gleich eine Gruselgeschichte erzählen würde.
    »Ist das nicht der Kerl, der Wolverine bei den X-Men spielt?«, fragte ich, denn auf seinen Wangen wucherte ein ziemlicher Urwald.
    »Du bist unmöglich!«, beschwerte sich Marshmallow. »Das ist Jean-François Champollion.«
    Es dauerte eine Sekunde, dann konnte ich was mit dem Namen anfangen. »Der hat doch die Hieroglyphen auf dem Rosettastein entziffert, oder?«
    »Genau. Er ist Desjardins’ Großonkel.«
    Ich sah mir Champollions Bild noch einmal an, die Ähnlichkeit war offensichtlich. Sie hatten dieselben stechenden schwarzen Augen. »Großonkel? Aber dann wäre Desjardins ja –«
    »Ungefähr zweihundert«, bestätigte Marshmallow. »Trotzdem immer noch ein Jüngling. Weißt du, dass Champollion, als er zum ersten Mal Hieroglyphen entziffert hatte, für fünf Tage ins Koma fiel? Damit setzte er als erster Mann, der nicht zum Lebenshaus gehörte, ihre Magie frei und es hat ihn fast umgebracht. Das hat natürlich die Aufmerksamkeit des Ersten Nomos auf sich gezogen. Champollion starb, bevor er dem Lebenshaus beitreten konnte, der Oberste Vorlesepriester nahm jedoch seine Nachfahren zur Ausbildung an. Desjardins ist sehr stolz auf seine Familie … aber auch ein bisschen empfindlich, weil er noch nicht lange dazugehört.«
    »Deshalb kommt er mit unserer Familie nicht klar«, vermutete ich. »Wir sind so was wie … antik.«
    Marshmallow kicherte. »Und dass dein Vater den Rosettastein gesprengt hat? Das hat Desjardins als Angriff auf seine Familienehre aufgefasst! Ach, du hättest die Diskussionen zwischen Meister Julius und Desjardins in diesem Raum erleben sollen.«
    »Du warst schon mal hier?«
    »Ganz oft! Ich bin überall gewesen. Ich bin allwissend.«
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie Dad und Desjardins sich hier gestritten hatten. Es war nicht schwer. Und wenn Desjardins unsere Familie hasste und wenn sich Götter meistens Gastkörper suchten, die ein ähnliches Ziel hatten, war es absolut einleuchtend, dass Seth sich mit ihm zu verbinden versuchte. Beide wollten Macht, beide waren verbittert und wütend, beide wollten aus Sadie und mir Hackfleisch machen. Und wenn Seth nun im Geheimen Besitz vom Obersten Vorlesepriester ergriffen hatte … Ein Schweißtropfen rann über mein Gesicht. Ich wollte aus dieser Villa raus.
    Plötzlich war unter uns ein Knallen zu hören, offensichtlich schloss jemand im Erdgeschoss eine Tür.
    »Zeig mir, wo das Buch des Thot ist«, befahl ich Marshmallow. »Schnell!«
    Als wir an den Bücherregalen entlanggingen, wurde Marshmallow so warm in meinen Händen, dass ich Angst bekam, er könnte schmelzen. Zu jedem Buch gab er seinen Kommentar

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