Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Nahrungsmittel anbauen. Nahrung ist gut. Deshalb ist Schwarz gut. Rot ist die Farbe des Wüstensandes. Nichts wächst in der Wüste. Deshalb ist Rot böse.« Sie runzelte die Stirn. »Es ist wirklich seltsam, dass Desjardins eine rote Tür hat.«
»Wie aufregend«, knurrte Sadie. »Los, wir klopfen.«
»Es gibt bestimmt Wächter«, warnte Bastet. »Und Fallen. Und eine Alarmanlage. Du kannst darauf wetten, dass auf dem Haus mächtige Zauber liegen, um die Götter abzuhalten.«
»Können Magier so etwas?«, fragte ich. Ich stellte mir eine große Dose mit Pestiziden vor, auf der Götter-Ex stand.
»Aber ja«, antwortete Bastet. »Uneingeladen komme ich nicht über die Türschwelle. Ihr allerdings –«
»Ich dachte, wir wären auch Götter«, wandte Sadie ein.
»Das ist ja das Schöne«, erwiderte Bastet. »Als Gastgeber seid ihr immer noch ziemlich menschlich. Ich habe vollen Besitz von Muffin ergriffen, deshalb bin ich ziemlich Ich – eine Göttin. Aber ihr seid immer noch – na ja, ihr selbst. Kapiert?«
»Nein«, sagte ich.
»Ich schlage vor, ihr verwandelt euch in Vögel«, sagte Bastet. »Dann könnt ihr auf den Dachgarten fliegen und ins Haus eindringen. Außerdem mag ich Vögel.«
»Problem Nummer eins«, entgegnete ich. »Wir wissen nicht, wie wir uns in Vögel verwandeln sollen.«
»Lässt sich leicht beheben! Und es ist ein guter Test, wie ihr göttliche Kraft einsetzen könnt. Sowohl Isis als auch Horus haben eine Vogelgestalt. Stellt euch einfach vor, ihr wärt Vögel, und dann werdet ihr Vögel.«
»Einfach so«, sagte Sadie. »Und du stürzt dich nicht auf uns?«
Bastet sah gekränkt aus. »Nein! Da kannst du Gift drauf nehmen!«
Ich wusste gar nicht, wofür ich mich entscheiden sollte – vergiftet zu werden oder aufgefressen.
»Okay«, sagte ich. »Dann mal los!«
Ich dachte: Bist du da, Horus?
Was? , fragte er gereizt.
Einmal Vogelgestalt, bitte.
Ah, verstehe. Eigentlich traust du mir nicht. Aber jetzt soll ich dir helfen.
Mann, komm schon. Zieh einfach die Falkennummer ab.
Reicht dir ein Emu?
Da Reden nicht weiterhelfen würde, schloss ich die Augen und stellte mir vor, ich wäre ein Falke. Sofort fing meine Haut zu brennen an. Ich hatte Schwierigkeiten zu atmen. Ich öffnete die Augen und schnappte nach Luft.
Ich war richtig, richtig klein – auf Augenhöhe mit Bastets Schienbeinen. Mein ganzer Körper war mit Federn bedeckt und meine Füße hatten sich in fiese Krallen verwandelt, ähnlich wie die meiner Ba-Gestalt, allerdings war das hier richtiges Fleisch und Blut. Meine Klamotten und meine Tasche waren verschwunden, sie schienen sich in Federn verwandelt zu haben. Auch meine Sicht hatte sich vollkommen verändert. Ich hatte ein Hundertachtzig-Grad-Blickfeld und alles war unglaublich scharf. Jedes Blatt an jedem Baum stach heraus. Ich erkannte eine hundert Meter entfernte Kakerlake, die in einen Gully krabbelte. Ich konnte jede Pore in Bastets Gesicht erkennen, die nun vor mir aufragte und grinste.
»Lieber spät als nie«, sagte sie. »Du hast fast zehn Minuten dazu gebraucht.«
Äh? Die Veränderung war mir blitzschnell vorgekommen. Ich sah zur Seite und entdeckte einen schönen bräunlichen Raubvogel, ein wenig kleiner als ich, mit schwarzen Flügelspitzen und goldenen Augen. Keine Ahnung, warum, aber ich wusste, es war ein Milan.
Der Milan gab ein piepsendes Geräusch von sich: »Ha, ha, ha.« Sadie lachte mich aus.
Ich öffnete den Schnabel, brachte aber keinen Ton hervor.
»Mmh, ihr zwei seht echt appetitlich aus«, meinte Bastet und leckte sich die Lippen. »Nein, nein – äh, ich wollte sagen, wunderschön. Dann mal los mit euch!«
Ich spreizte meine majestätischen Schwingen. Ich hatte es wirklich getan! Ich war ein edler Falke, Herr des Himmels. Ich stieß mich vom Gehweg ab und flog geradewegs in den Zaun.
»Ha – ha – ha«, piepte Sadie hinter mir.
Bastet kniete sich hin und fing an, seltsame Zwitschergeräusche von sich zu geben. Oh-oh . Sie ahmte Vögel nach. Das hatte ich oft genug bei Katzen gesehen, die auf der Pirsch waren. Plötzlich ging mir mein eigener Nachruf durch den Kopf: Carter Kane, 14, starb einen tragischen Tod in Paris, als er von Muffin, der Katze seiner Schwester, aufgefressen wurde.
Ich breitete die Schwingen aus, stieß mich ab und nach drei Flügelschlägen schwebte ich durch den Regen. Sadie war direkt hinter mir. Gemeinsam schraubten wir uns in die Höhe.
Ich muss gestehen: Es fühlte sich genial an. Schon als
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