Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
hat uns alle in Gefahr gebracht. Sie wird euch ins Verderben führen.«
Ich konnte sehen, dass er es ernst meinte. Er war von dem, was er sagte, hundert Prozent überzeugt.
Ich wandte mich zu Bastet. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Sie sah verletzt aus, ja, richtig todtraurig.
»Was meint er damit?«, fragte ich. »Was hast du denn gemacht?«
»Wir müssen gehen«, warnte sie. »Oder sie werden uns umbringen.«
Ich sah zum Portal. Carter war bereits verschwunden. Das gab den Ausschlag. Ich wollte nicht von ihm getrennt werden. So nervend er auch war, Carter war alles, was ich noch hatte. (Wie deprimierend ist das denn?)
»Wirf mich hoch«, rief ich.
Bastet packte mich. »Wir sehen uns in Amerika.« Dann schmiss sie mich die Seitenwand der Pyramide hoch.
Ich hörte, wie der Magier brüllte: »Ergebt euch!« Eine Explosion erschütterte die Glasscheiben neben meinem Kopf. Dann tauchte ich in den heißen Sandwirbel ein.
Als ich aufwachte, befand ich mich in einem kleinen Zimmer mit Teppichboden, grauen Wänden und Fenstern mit Metallrahmen. Es fühlte sich an wie in einem Hightech-Kühlschrank. Halb betäubt setzte ich mich auf und entdeckte, dass ich von Kopf bis Fuß mit kaltem, nassem Sand bedeckt war.
»Ekelhaft«, sagte ich. »Wo sind wir?«
Carter und Bastet standen am Fenster. Da sie sich beide abklopften, waren sie offensichtlich schon eine Weile bei Bewusstsein.
»Du musst dir diese Aussicht anschauen«, sagte Carter.
Ich erhob mich schwankend, doch als ich sah, in welcher Höhe wir uns befanden, fiel ich beinahe wieder um.
Unter uns lag eine ganze Stadt – soll heißen, weit unter uns, mehr als hundert Meter tief. Fast konnte ich mir einbilden, wir wären noch in Paris, denn zu unserer Linken schlängelte sich ein Fluss und das Land war größtenteils flach. Unter einem Winterhimmel drängten sich in Gruppen weiße Regierungsgebäude um ein Netz aus Parks und Ringstraßen. Doch mit dem Licht stimmte was nicht. Hier war es noch immer Nachmittag, wir waren also offensichtlich gen Westen gereist. Als mein Blick zu einer großen rechteckigen Grünfläche wanderte, starrte ich plötzlich auf ein Gebäude, das mir seltsam vertraut vorkam.
»Ist das … das Weiße Haus?«
Carter nickte. »Du hast uns nach Amerika gebracht, super. Washington, D. C.«
»Aber wir sind hoch oben in der Luft!«
Bastet gluckste. »Du hast ja keine bestimmte Stadt in Amerika genannt, oder?«
»Na ja … nein.«
»Damit hast du das Standardportal der USA erwischt – die größte Einzelquelle ägyptischer Macht in Nordamerika.«
Ich starrte sie verständnislos an.
»Der größte Obelisk, der je errichtet wurde«, erklärte sie. »Das Washington Monument.«
Mir wurde wieder schwindlig und ich trat vom Fenster zurück. Carter packte mich an der Schulter und half mir beim Hinsetzen.
»Du solltest dich noch ausruhen«, sagte er. »Du warst bewusstlos … wie lange, Bastet?«
»Zwei Stunden und zweiunddreißig Minuten«, antwortete sie. »Es tut mir leid, Sadie. Mehr als ein Portal pro Tag zu öffnen ist wahnsinnig anstrengend, selbst wenn Isis dabei hilft.«
Carter runzelte die Stirn. »Aber sie muss es noch einmal tun, oder? Hier dauert es noch eine Weile bis zum Sonnenuntergang. Wir können immer noch Portale benutzen. Lass uns eins öffnen und nach Arizona reisen. Dort wartet Seth.«
Bastet schürzte die Lippen. »Sadie kann nicht noch ein Portal herbeirufen. Es würde ihre Kräfte überfordern. Ich verfüge nicht über diese Gabe. Und du, Carter … tja, deine Fähigkeiten liegen woanders. Ist nicht böse gemeint.«
»Schon gut«, knurrte er. »Du rufst mich bestimmt, wenn du das nächste Mal jemanden brauchst, der Flughunde plattmacht.«
»Außerdem«, fuhr Bastet fort, »wenn ein Portal benutzt wurde, braucht es anschließend Zeit zum Abkühlen. Niemand kann das Washington Monument –«
»Innerhalb der nächsten zwölf Stunden benutzen.« Carter fluchte. »Das hab ich ganz vergessen.«
Bastet nickte. »Und bis dahin haben die Dämonentage angefangen.«
»Also müssen wir auf anderem Weg nach Arizona kommen«, stellte Carter fest.
Er wollte mir bestimmt kein schlechtes Gewissen machen, aber ich hatte trotzdem eins. Weil ich die Dinge nicht bis zum Ende durchdacht hatte, saßen wir jetzt in Washington fest.
Ich beobachtete Bastet aus dem Augenwinkel. Gern hätte ich sie gefragt, was die Männer am Louvre mit ihrer Behauptung meinten, sie würde uns ins Verderben führen, aber ich traute
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