Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

ab.
    »Ah, die Beherrschung der fünf Elemente !«
    »Ist es das, wonach wir suchen?«, fragte ich.
    »Nein, aber es ist eins der guten Bücher. Wie man die fünf Grundelemente des Universums zähmt – Erde, Luft, Wasser, Feuer und Käse!«
    »Käse?«
    Er kratzte sich den Wachsschädel. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Käse das fünfte ist, ja. Aber weiter geht’s!«
    Wir wandten uns dem nächsten Regal zu. »Nein«, verkündete er. »Nein. Langweilig. Langweilig. Ah, Clive Cussler! Sehr guter Fantasyautor. Nein. Nein.«
    Ich wollte schon die Hoffnung aufgeben, da sagte er plötzlich: »Dort.«
    Ich erstarrte. »Wo – hier?«
    »Das blaue mit der Goldverzierung«, sagte er. »Das Buch, das –«
    Als ich es herauszog, fing der ganze Raum zu wackeln an.
    »– eine Falle ist«, beendete Marshmallow seinen Satz.
    Sadie kreischte durchdringend. Ich drehte mich um und sah, wie sie die Flucht ergriff. Etwas Kleines, Schwarzes stieß von der Decke herunter. Sadie knallte in der Luft mit ihm zusammen und das schwarze Ding verschwand in ihrem Schnabel.
    Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wie ekelhaft das war, fingen unten die Alarmglocken an zu schrillen. Noch mehr schwarze Gestalten fielen von der Decke. Sie schienen sich in der Luft zu vermehren und eine Trichterwolke aus Fell und Flügeln zu bilden.
    »Da hast du deine Antwort«, erklärte Marshmallow. »Desjardins hat Flughunde herbeigerufen. Du vergreifst dich an den falschen Büchern und prompt wirst du von den Flughunden heimgesucht. Das ist die Falle!«
    Die Dinger hängten sich an mich, als wäre ich eine reife Mango – sie stürzten sich auf mein Gesicht, krallten sich in meine Arme. Ich umklammerte das Buch und rannte zum Tisch, doch ich konnte kaum etwas erkennen. »Sadie, so schnell wie möglich hier raus!«, schrie ich.
    »KRAH!«, krächzte sie und ich hoffte, dass es Ja bedeutete.
    Ich fand Dads Arbeitstasche wieder und stopfte das Buch und Marshmallow hinein. An der Bibliothekstür wurde gerüttelt. Stimmen brüllten auf Französisch.
    Horus, es ist wieder mal Vogel angesagt!, dachte ich verzweifelt. Und bitte keinen Emu!
    Ich rannte zu den Glastüren. In letzter Sekunde hob ich ab – ich war wieder ein Falke und stürzte mich in den kalten Regen. Meine Raubvogelsinne sagten mir, dass mir ungefähr viertausend wütende Flughunde folgten.
    Falken sind jedoch teuflisch schnell. Sobald ich im Freien war, flog ich eilig gen Norden, weil ich hoffte, so die Flughunde von Sadie und Bastet abzulenken. Ich hätte unsere Verfolger problemlos abhängen können, ließ sie aber immer wieder ein Stückchen herankommen, damit sie die Hoffnung nicht aufgaben. Dann flog ich mit einem Mal blitzschnell eine enge Kurve und schoss mit hundertsechzig Sachen pro Stunde zu Sadie und Bastet hinunter.
    Bastet sah überrascht auf, als ich im Sturzflug auf dem Gehweg landete und bei meiner Rückverwandlung in einen Menschen einen Purzelbaum schlug. Erst als Sadie mich am Arm packte, merkte ich, dass auch sie ihre normale Gestalt wiederhatte.
    »Das war schrecklich!«, verkündete sie.
    »Rückzugsstrategie, schnell!« Ich deutete auf den Himmel, wo eine aufgebrachte schwarze Flughundwolke immer näher kam.
    »Der Louvre.« Bastet packte unsere Hände. »Er ist das nächstgelegene Portal.«
    Drei Blocks entfernt. Das würden wir nie schaffen.
    Plötzlich flog die rote Tür von Desjardins’ Haus auf, aber wir warteten nicht ab, was herauskommen würde. Wir rannten um unser Leben die Rue des Pyramides hinunter.

SADIE
    19.
    Ein Picknick im Himmel
    [Du hast es erfasst, Carter. Rück das Mikrofon raus.]
    Ich war schon mal im Louvre gewesen, während der Ferien, aber da wurde ich nicht von bösartigen Flughunden gejagt. Eigentlich hätte ich Angst haben sollen, aber ich war zu beschäftigt damit, auf Carter sauer zu sein. Nicht zu fassen, wie er mit meinem Vogelproblem umgegangen war. Mal ehrlich, ich dachte, ich würde für immer ein Milan bleiben und in einem kleinen gefiederten Gefängnis ersticken. Und er riss Witze darüber!
    Ich schwor Rache. Fürs Erste hatten wir allerdings genug damit zu tun, am Leben zu bleiben.
    Wir rannten durch den kalten Regen. Ich gab alles, was möglich war, ohne auf dem glatten Pflaster auszurutschen. Als ich einen Blick zurückwarf, sah ich, dass uns zwei Gestalten verfolgten – Männer mit kahl geschorenen Köpfen und Spitzbärten und schwarzen Regenmänteln. Hätten sie nicht beide einen leuchtenden Zauberstab geschwungen,