Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
furchtbar. Haben sich immer nur um sich selbst gedreht. Was hat das überhaupt damit zu tun?«
»Waren das nicht dieselben Priester, die sich gegen Echnaton auflehnten und Walts Vorfahren verfluchten?«, fragte ich. »Was, wenn Menschikow das Heilmittel gegen den Fluch kennt? Was, wenn er –?«
»Stopp.« Die Wut in Walts Stimme überraschte mich. Seine Hände zitterten. »Carter, ich habe mich mit meinem Schicksal abgefunden. Ich werde mich nicht absurden Hoffnungen hingeben. Menschikow ist der Feind. Selbst wenn er mir helfen könnte, würde er das nicht tun. Falls du ihm über den Weg läufst, versuch nicht, irgendeinen Handel mit ihm abzuschließen. Versuch nicht, an seine Vernunft zu appellieren. Tu, was du tun musst. Mach ihn fertig.«
Ich warf Sadie einen Blick zu. Ihre Augen leuchteten, als hätte ich endlich mal etwas richtig gemacht.
»Okay, Walt«, sagte ich. »Ich werde es nie wieder erwähnen.«
Schweigend führten Sadie und ich jedoch eine ganz andere Diskussion. Ausnahmsweise waren wir einmal absolut gleicher Meinung. Wir würden einen Abstecher in die Duat machen. Und würden, was Wlad Menschikow anbelangte, den Spieß umdrehen. Wir würden ihn suchen, windelweich hauen und ihn zwingen, uns zu verraten, wie Walt geheilt werden konnte. Mit einem Mal hatte ich eine viel positivere Einstellung zu unserem Plan.
»Dann machen wir uns also bei Sonnenuntergang auf den Weg«, sagte Zia. »Walt und ich Richtung Brooklyn. Du und Sadie in die Duat. Dann ist ja jetzt alles geklärt.«
»Bis auf eines.« Bes starrte finster auf die Senetstäbe, die Sadie hatte zu Boden fallen lassen. »Dieser Wurf ist nicht dein Ernst. Das ist unmöglich!«
Ein Grinsen huschte über Sadies Gesicht. Sie hatte zufällig eine Drei geworfen, genau das, was sie zum Gewinnen brauchte.
Sie schob ihren letzten Stein ins Ziel, dann nahm sie Menschikows Brille und setzte sie auf. Es sah gruselig aus. Ich musste an Menschikows krächzende Stimme und die vernarbten Augen denken und daran, was vielleicht mit meiner Schwester passieren würde, wenn sie versuchte, die Sonnenlitanei zu lesen.
»Unmöglich ist meine Spezialität«, erwiderte sie. »Komm schon, Bruderherz. Auf zur Großen Pyramide.«
Falls ihr je die Pyramiden besucht, hier ein Tipp: Am besten betrachtet man sie aus der Ferne. Wenn man direkt davor steht, sind sie eigentlich ziemlich enttäuschend.
Das klingt vielleicht hart, aber erstens scheinen die Pyramiden mit jedem Schritt, den man näher kommt, immer kleiner zu werden. Das sagt jeder. Klar, sie waren jahrtausendelang die höchsten Bauwerke der Welt – im Vergleich mit modernen Gebäuden sind sie jedoch nicht besonders beeindruckend. Man hat die weiße Steinverkleidung und die goldenen Pyramidia abgeschlagen, die sie in alter Zeit wirklich besonders machten. Sie sind noch immer schön, vor allem, wenn sie bei Sonnenuntergang angestrahlt werden, aber man hat mehr von ihnen, wenn man sie ohne das Touristengewusel betrachtet.
Und das ist die zweite Sache: die Touristenmassen und die Souvenirverkäufer. Egal, wo man im Urlaub hinfährt: Times Square in New York, Piccadilly Circus in London oder das Kolosseum in Rom, es ist immer dasselbe: Händler, die billige T-Shirts und Ramsch verkaufen, und schwitzende Touristenhorden, die über alles meckern und durch die Gegend schlurfen und ein Foto nach dem anderen machen. Bei den Pyramiden ist es kein bisschen anders, außer dass die Menschenmengen noch größer und die Verkäufer richtig, richtig penetrant sind. Sie kennen eine Menge englischer Wörter, »nein« gehört allerdings nicht dazu.
Während wir uns durch die Massen drängelten, versuchten die Händler, uns drei Kamelausritte zu verhökern, ein Dutzend T-Shirts und mehr Amulette, als Walt um den Hals trug (Sonderpreis! Große Magie!) , sowie elf echte Mumienfinger »Made in China«.
Ich fragte Bes, ob er das Gesindel nicht verjagen könne, aber er lachte bloß. »Die sind es nicht wert, Kleiner. Touristen kommen schon fast so lange hierher, wie die Pyramiden stehen. Ich werde dafür sorgen, dass sie uns nicht bemerken. Klettern wir einfach zur Spitze hoch.«
Am Fuße der Cheops-Pyramide patrouillierten Sicherheitsleute, aber keiner versuchte, uns aufzuhalten. Vielleicht hatte Bes uns irgendwie unsichtbar gemacht, vielleicht beschlossen die Wächter aber auch, uns zu übersehen, weil wir mit dem Zwergengott unterwegs waren. So oder so, nach kurzer Zeit wusste ich, warum es verboten war, auf die Pyramiden zu
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