Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
ohne Pikachu-Aufdruck. Als ich die Dusche aufdrehte, machte sie ein Geräusch wie ein sterbender Elefant, aber ich schaffte es, mich unter dem rostig riechenden Rinnsal halbwegs zu säubern.
Als ich wieder rauskam, fühlte ich mich zwar nicht gerade wie neugeboren, aber wenigstens stank ich nicht mehr nach totem Fisch und Ziegenfleisch.
Meine vier Gefährten spielten noch immer Senet. Ich hatte schon von dem Spiel gehört – angeblich eines der ältesten Spiele der Welt –, aber ich hatte es noch nie jemanden spielen sehen. Auf das rechteckige Brett waren blaue und weiße Quadrate gemalt, drei Reihen mit jeweils zehn Feldern. Die Spielsteine waren weiße und blaue Kreise. Statt Würfeln warf man vier Ebenholzstäbchen, die wie Wassereisstangen aussahen. Auf der einen Seite waren sie unbeschriftet, auf der anderen waren Hieroglyphen aufgemalt.
»Ich dachte, die Regeln dieses Spiels wären in Vergessenheit geraten«, sagte ich.
Bes musterte mich mit hochgezogener Augenbraue. »Vielleicht bei euch Menschen. Die Götter haben sie niemals vergessen.«
»Es ist ganz einfach«, sagte Sadie. »Man muss sich in einem S über das Brett bewegen. Das Team, das seine Steine zuerst im Ziel hat, gewinnt.«
»Ha!«, rief Bes. »So simpel ist es nicht. Man braucht Jahre, um es zu beherrschen.«
»Ach wirklich, Zwergengott?« Zia warf die vier Stäbchen, die alle mit der Hieroglyphenseite nach oben liegen blieben. »Mach das erst mal nach!«
Sadie und Zia gaben sich ein High Five. Offensichtlich bildeten sie ein Team. Sadie schob einen blauen Stein weiter und setzte dafür einen weißen auf den Anfang zurück.
»Walt«, brummte Bes. »Ich hab dir doch gesagt, dass du nicht mit diesem Stein ziehen sollst!«
»Es ist nicht meine Schuld!«
Sadie lächelte mich an. »Jungs gegen Mädchen. Wir spielen um Wlad Menschikows Sonnenbrille.«
Sie hielt die zerbrochene weiße Brille hoch, die Seth ihr in Sankt Petersburg gegeben hatte.
»Die Welt steht kurz vor dem Untergang«, sagte ich, »und ihr spielt um eine Sonnenbrille?«
»Hey, Alter«, sagte Walt. »Wir machen hier mehrere Sachen gleichzeitig. Wir haben ungefähr sechs Stunden geredet, aber wir mussten schließlich auf dich warten, um irgendeine Entscheidung fällen zu können, oder?«
»Außerdem«, mischte sich Sadie ein, »hat uns Bes versichert, dass man beim Senet um etwas spielen muss. Andernfalls würde es Maat in den Grundfesten erschüttern.«
»Das stimmt«, bestätigte der Zwergengott. »Walt, du bist dran, jetzt mach schon.«
Walt warf die Stäbe und drei zeigten mit der unbeschrifteten Seite nach oben.
Bes fluchte. »Wir brauchen zwei, um aus dem Haus von Re-Atum rauszukommen, Kleiner. Hab ich dir das nicht erklärt?«
»Tut mir leid!«
Da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, zog ich mir einen Stuhl heran.
Der Ausblick aus dem Fenster war hübscher als erwartet. Ungefähr anderthalb Kilometer entfernt leuchteten die Pyramiden von Gizeh rot im Nachmittagslicht. Wir mussten uns in den südwestlichen Außenbezirken der Stadt befinden – in der Nähe von El Mansouria. Auf dem Weg zu verschiedenen Ausgrabungsstätten war ich ein paarmal mit Dad durch dieses Viertel gefahren, trotzdem war es verwirrend, dass die Pyramiden so nah waren.
Mir brannten Tausende von Fragen auf der Zunge. Ich musste meinen Freunden von meiner Ba- Vision erzählen. Bevor ich jedoch meinen ganzen Mut zusammennehmen konnte, ließ sich Sadie lang und breit darüber aus, was sie während meiner Ohnmacht alles getan hatten. Im Wesentlichen erging sie sich darüber, wie lustig ich im Schlaf aussah, und über die verschiedenen Wimmergeräusche, die ich von mir gegeben hatte, als sie mich aus den ersten zwei Hotelzimmern herausgezerrt hatten. Sie beschrieb das ausgezeichnete Fladenbrot, die Falafeln und den würzigen Kebab, die sie zu Mittag gegessen hatten (»Ach, tut mir leid, wir haben gar nichts für dich aufgehoben«), und was sie alles bei ihrer Einkaufstour im Souk , dem örtlichen Straßenmarkt, günstig gekauft hatten.
»Ihr wart einkaufen?«, fragte ich.
»Na klar«, erwiderte sie. »Bis Sonnenuntergang können wir sowieso nichts unternehmen. Das hat Bes jedenfalls erklärt.«
»Was soll das heißen?«
Bes warf die Stäbe und schob einen seiner Steine ins Ziel. »Die Frühlings-Tagundnachtgleiche, Kleiner. Nun dauert es nicht mehr lange – sämtliche Portale der Welt funktionieren nur noch zu zwei Zeitpunkten: Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, wenn Tag und
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