Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
gewälzt. Babi war ein riesiger grauer Pavian mit glühend roten Augen, Krummschwertreißzähnen und Armen, so dick wie Baumstämme.
Beide starrten mich mit unverhohlenem Hass an. Ich wusste, wenn ich nur einen Augenblick schwankte, wenn ich zuließ, dass die Macht des Krummstabs nachließ, würden sie mich in Stücke reißen.
»Schwört Treue«, befahl ich. »Wenn wir mit Re zurückkommen, werdet ihr ihm gehorchen.«
»Das wird euch nie gelingen«, sagte Nechbet.
»Dann schadet es ja auch nichts, wenn ihr Treue schwört«, entgegnete ich. »Schwört!«
Als ich die Geißel in die Höhe hielt, duckten sich die Götter.
»Agh« , brummte Babi.
»Wir schwören«, sagte Nechbet. »Aber es ist ein leeres Versprechen. Ihr segelt dem sicheren Tod entgegen.«
Ich ließ meinen Krummstab durch die Luft sausen, die Götter lösten sich in Nebel auf.
Sadie holte tief Luft. »Gute Arbeit. Du klangst selbstbewusst.«
»Alles nur Theater.«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Jetzt der schwierige Teil: Re finden und ihn aufwecken. Und am liebsten unterwegs noch ein nettes Abendessen. Ohne dabei draufzugehen.«
Ich sah zum Boot hinunter. Thot, der Gott des Wissens, hatte uns einmal erzählt, dass wir auf Grund unserer Abstammung von den Pharaonen bei Bedarf immer ein Boot herbeirufen konnten. Ich hatte allerdings nie gedacht, dass es dieses Boot sein würde und in so miserablem Zustand. Zwei Jugendliche in einer schrottreifen, lecken Barke, allein gegen die Mächte des Chaos.
»Alle an Bord«, sagte ich zu Sadie.
Sadie
19.
Bullwinkle, der Elchgott, rächt sich
Ich sollte erwähnen, dass Carter einen Rock trug.
[Ha! Du wirst mir das Mikrofon nicht wegnehmen. Jetzt bin ich dran.]
Er hat versäumt, euch das zu erzählen, aber in dem Moment, als wir in der Duat ankamen, veränderte sich unsere Erscheinung und wir trugen plötzlich altägyptische Kleider.
Mir stand meines ziemlich gut. Das weiße Seidengewand schimmerte. Meine Arme waren mit Goldreifen und Armbändern geschmückt. Stimmt schon, der juwelenbesetzte Halsschmuck war ziemlich schwer – ungefähr wie diese Bleischürzen, die einem der Zahnarzt beim Röntgen umlegt – und meine geflochtenen Haare waren mit so viel Haarspray besprüht, dass es ausgereicht hätte, einen der Hauptgötter versteinern zu lassen. Ansonsten sah ich allerdings ziemlich verführerisch aus.
Carter hingegen trug einen Männerrock – ein schlichtes Leinenwickeltuch –, und von einer Art Werkzeuggürtel um seine Taille baumelten Krummstab und Geißel. Bis auf einen goldenen Halsschmuck, der meinem ähnelte, war sein Oberkörper nackt. Seine Augen waren mit Khol umrandet, er trug keine Schuhe.
Den alten Ägyptern wäre er sicher majestätisch vorgekommen und kriegerisch, als ein erlesenes Exemplar von Männlichkeit. [Siehst du? Ich hab’s gesagt, ohne mich totzulachen.] Und selbst wenn Carter auch ohne Hemd gar nicht mal so übel aussah, bedeutete das noch lange nicht, dass ich mich mit einem Bruder, der nur Schmuck und ein Badelaken trug, auf ein Abenteuer durch die Unterwelt begeben wollte.
Als wir in die Barke des Sonnengottes stiegen, trat sich Carter sofort einen Splitter in den Fuß.
»Warum läufst du auch barfuß?«, sagte ich.
»Es war doch nicht meine Idee!« Er zuckte zusammen. als er ein zahnstocherlanges Stück des Decks zwischen seinen Zehen herauszog. »Wahrscheinlich hat es was damit zu tun, dass Krieger im alten Ägypten barfuß kämpften. Sandalen wurden von dem ganzen Schweiß und Blut und so viel zu glitschig.«
»Und der Rock?«
»Lass uns einfach losfahren, okay?«
Das war leichter gesagt als getan.
Das Boot driftete vom Kai weg, blieb dann aber ein paar Meter flussabwärts im stehenden Gewässer stecken. Wir begannen, uns im Kreis zu drehen.
»Klitzekleine Frage«, setzte ich an. »Hast du irgendeine Ahnung von Booten?«
»Absolut null«, gestand Carter.
Unser zerfetztes Segel erwies sich als ungefähr so nützlich wie ein zerrissenes Papiertaschentuch. Die Ruder waren entweder zerbrochen oder schleiften nutzlos im Wasser hinterher. Außerdem sahen sie ziemlich schwer aus. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie wir beide, selbst falls wir in ruhigen Gewässern blieben, ein Boot rudern sollten, das für eine Mannschaft von zwanzig gedacht war. Unser letzter Trip durch die Duat hatte allerdings mehr einer Achterbahnfahrt geähnelt.
»Was hältst du von leuchtenden Lichtbällen?«, fragte ich. »Wie die Crew, die wir auf der Egyptian Queen
Weitere Kostenlose Bücher