Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Die Tore schlossen sich langsam, doch die Sonnenbarke schlüpfte gerade noch rechtzeitig hindurch und wir fuhren ins Achte Haus.
Ich muss sagen, das Haus der Herausforderungen kam mir nicht besonders herausfordernd vor. Gut, wir kämpften gegen Ungeheuer. Schlangen erhoben sich aus dem Fluss. Dämonen zeigten sich. Schiffe voller Geister versuchten die Sonnenbarke zu entern. Wir vernichteten sie allesamt. Ich war so wütend, so fix und fertig über Bes’ Verlust, dass ich mir bei jeder Bedrohung den Mondgott Chons vorstellte. Unsere Feinde hatten nicht die geringste Chance.
Sadie benutzte Zaubersprüche, die ich noch nie von ihr gehört hatte. Sie rief Eisschichten herbei, die möglicherweise ihre Gefühle widerspiegelten, und hinterließ mehrere Dämoneneisberge. Sie verwandelte eine ganze Schiffsladung Piratengeister in Chons-Wackelkopffiguren und ließ sie anschließend bei einer kleinen Atomexplosion verdampfen. Re spielte in der Zwischenzeit selbstvergessen mit seinen Spielzeugen, während die Lichtdiener aufgeregt über das Deck flatterten. Vermutlich spürten sie, dass unsere Reise eine kritische Phase erreichte. Das Neunte, Zehnte und Elfte Haus rauschten einfach vorbei. Von Zeit zu Zeit hörte ich hinter uns ein Platschen im Wasser, es klang wie das Ruder eines anderen Bootes. Ich drehte mich um und überlegte, ob Menschikow sich aus irgendeinem Grund wieder an unsere Fersen geheftet hatte, doch ich konnte nichts erkennen. Falls uns tatsächlich etwas folgte, war es so klug, sich nicht zu zeigen.
Schließlich hörte ich vor uns ein Donnern, es klang wie ein weiterer Wasserfall oder einige Stromschnellen. Die Lichtkugeln holten in rasender Eile das Segel ein und stellten die Ruder quer, trotzdem wurden wir immer schneller.
Wir fuhren unter einem niedrigen Torbogen hindurch, der die Form der Göttin Nut hatte, ihre sternenübersäten Gliedmaßen wölbten sich schützend über uns und ihr Gesicht zeigte uns ein freundliches Lächeln. Vermutlich betraten wir gerade das Zwölfte Haus, den letzten Teil der Duat, bevor wir in eine neue Morgendämmerung aufstiegen.
Ich hoffte auf Licht am Ende des Tunnels, und zwar wortwörtlich, doch stattdessen hatte jemand unsere Weiterfahrt sabotiert. Der eigentliche Flussverlauf war noch zu erkennen. Der Tunnel führte weiter geradeaus und wand sich langsam aus der Duat. Ich konnte sogar die frische Luft riechen – den Duft der Menschenwelt. Im letzten Stück des Tunnels floss jedoch kein Wasser mehr, es war ein Sumpf, denn vor uns stürzte der Fluss in eine tiefe Grube. Sie sah aus, als hätte ein Asteroid ein Loch in die Erde geschlagen und das Wasser in die Tiefe umgeleitet. Wir rasten auf den Abgrund zu.
»Wir könnten springen«, schlug Sadie vor. »Vom Schiff herunter …«
Doch anscheinend kamen wir beide zu demselben Schluss. Wir brauchten die Sonnenbarke. Wir brauchten Re. Wir mussten dem Lauf des Flusses folgen, wohin er auch führen mochte.
»Es ist eine Falle«, erklärte Sadie. »Das Werk von Apophis.«
»Ich weiß«, erwiderte ich. »Dann werden wir ihm jetzt mal mitteilen, dass uns sein Werk nicht gefällt.«
Als das Schiff in den Strudel eintauchte, klammerten wir uns beide an den Mast.
Der Fall in die Tiefe schien ewig zu dauern. Ihr kennt doch bestimmt das Gefühl, wenn man auf den Grund eines tiefen Schwimmbeckens taucht; wenn man meint, Nase und Ohren würden explodieren und die Augen würden einem aus dem Kopf quellen? Stellt euch das noch hundertmal schlimmer vor. Wir sanken tiefer in die Duat hinab als je zuvor – tiefer, als ein Sterblicher gehen sollte. Die Moleküle meines Körpers fühlten sich an, als würden sie heißer und immer schneller und irgendwann vielleicht auseinanderfliegen.
Wir wurden nicht zerschmettert. Wir schlugen nicht auf dem Grund auf. Das Boot änderte einfach die Richtung, als hätte sich abwärts in seitwärts gewandelt. Wir segelten in eine Höhle, die in grellem Rot leuchtete. Der magische Druck war so stark, dass meine Ohren rauschten. Mir war schlecht und ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen, doch ich erkannte das Ufer vor uns: ein Strand aus Tausenden Panzern toter Skarabäen, die sich bewegten und wogten, weil eine Kraft darunter – eine riesige schlangenartige Gestalt – versuchte, sich loszureißen. Dutzende von Dämonen gruben sich mit Schaufeln durch die Skarabäenpanzer. Am Ufer stand Wlad Menschikow und wartete geduldig auf uns. Seine Kleider waren angesengt und qualmten, aus seinem
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