Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Rückzieher machen?«
Chons rieb sich die Hände. »Ach ja, Apophis’ Kerker! Euer Freund Menschikow ist gerade dort und lockert die Fesseln der Schlange. Ich habe so viele Wetten darüber abgeschlossen, was wohl passieren wird! Werdet ihr rechtzeitig dort sein, um ihn aufzuhalten? Werdet ihr Re der Welt zurückgeben? Werdet ihr Menschikow schlagen? Darauf wette ich hundert zu eins!«
Mom wandte sich verzweifelt an meinen Vater. »Julius, sag was! Es ist zu gefährlich.«
Mein Vater hielt noch immer einen Teller mit einem zur Hälfte gegessenen Stück Geburtstagstorte. Er starrte das schmelzende Eis an, als hätte er noch nie etwas so Trauriges gesehen.
»Carter und Sadie«, sagte er schließlich. »Ich habe Chons hierhergebracht, damit ihr die Wahl habt. Doch wofür ihr euch auch entscheiden werdet, ich bin trotzdem stolz auf euch. Daran ändert sich auch nichts, wenn heute Nacht die Welt untergeht.«
Er blickte mir in die Augen und ich konnte sehen, wie sehr ihn der Gedanke schmerzte, uns zu verlieren. Letztes Weihnachten hatte er im British Museum sein Leben geopfert, um Osiris freizulassen und das Gleichgewicht in der Duat wiederherzustellen. Er hatte Sadie und mich allein zurückgelassen, was ich ihm lange Zeit übel genommen hatte. Jetzt wurde mir klar, wie es sich anfühlte, in seiner Haut zu stecken. Für einen höheren Zweck war er bereit gewesen, alles aufzugeben, sogar sein Leben.
»Ich verstehe dich, Dad«, sagte ich. »Wir sind Kanes. Wir laufen nicht vor schwierigen Entscheidungen davon.«
Er antwortete nicht, aber er nickte bedächtig. In seinen Augen brannte wilder Stolz.
»Ausnahmsweise«, mischte sich Sadie ein, »hat Carter Recht. Chons, wir werden dein blödes Spiel mitspielen.«
»Hervorragend!«, antwortete Chons. »Das sind doch schon mal zwei Seelen. Zwei Stunden, die ihr gewinnen könnt. Ach, aber ihr braucht drei, um rechtzeitig durch die Tore zu kommen, oder? Hmm. Ich fürchte, Re scheidet als Einsatz aus. Der ist ja ziemlich daneben. Eure Mutter ist sowieso schon tot. Euer Vater ist der Richter der Unterwelt, er ist also vom Seelenhandel ausgeschlossen …«
»Ich werde es tun«, unterbrach ihn Bes. Er sah grimmig aus, aber entschlossen.
»Alter Kumpel!«, rief Chons. »Ich bin entzückt.«
»Du kannst mich mal, Mondgott«, sagte Bes. »Es gefällt mir nicht, aber ich mache mit.«
»Bes«, wandte ich ein, »du hast schon genug für uns getan. Bastet hätte niemals von dir erwartet –«
»Ich tue das nicht für Bastet!«, murrte er. Dann holte er tief Luft. »Wisst ihr, Kinder, ihr seid die wirklich Wichtigen. In den letzten paar Tagen – zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte ich wieder das Gefühl, gebraucht zu werden. Etwas bewegen zu können. Und nicht bloß eine Randfigur zu sein. Falls es schiefgeht, sagt Taweret …« Er räusperte sich und warf Sadie einen bedeutungsvollen Blick zu. »Sagt ihr, ich hätte versucht, die Zeit zurückzudrehen.«
»Oh, Bes.« Sadie stand auf und rannte um den Tisch. Sie umarmte den Zwergengott und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Schon gut, schon gut«, brummte er. »Jetzt werd nicht sentimental. Lasst uns spielen.«
»Zeit ist Geld«, pflichtete Chons bei.
Unsere Eltern erhoben sich.
»Wir können nicht bleiben, während ihr spielt«, sagte Dad. »Aber, Kinder …«
Er schien nicht zu wissen, wie er den Satz zu Ende bringen sollte. Viel Glück hätte es wahrscheinlich nicht ganz getroffen. Ich konnte die Schuldgefühle und die Angst in seinen Augen erkennen, allerdings gab er sich die größte Mühe, das zu verbergen. Ein guter General , hätte Horus gesagt.
»Wir lieben euch«, beendete unsere Mutter den Satz. »Ihr werdet es schaffen.«
Mit diesen Worten verwandelten sich unsere Eltern in Nebel und lösten sich auf. Wie bei einem Bühnenbild wurde alles außerhalb des Pavillons dunkel. Das Senetspiel begann heller zu leuchten.
»Glänzend«, sagte Re.
»Drei blaue Steine für euch«, sagte Chons. »Drei silberne Steine für mich. Na, wer hat heute ein glückliches Händchen?«
Das Spiel ließ sich ganz gut an. Sadie hatte Glück beim Werfen der Stäbe. Bes hatte mehrere Tausend Jahre Spielerfahrung. Und ich wurde damit betraut, die Spielsteine zu verschieben und Re daran zu hindern, sie aufzuessen.
Zuerst war es ausgeglichen. Wir warfen nur die Stäbchen und verschoben die Steine und es fiel schwer zu glauben, dass wir um unsere Seelen spielten oder um wahre Namen oder wie immer man es bezeichnen will.
Als wir
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