Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron

Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron

Titel: Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
Vom Netzwerk:
sah ich wie ein zerrupftes Legebatteriehuhn aus.
    Die Balkontüren öffneten sich. Eine magische Brise fegte mich hinaus in die Nacht. Die Lichter von New York verschwammen und verblassten und plötzlich befand ich mich in einem bekannten Raum unter der Erde: im Gang der Zeitalter im Hauptquartier des Lebenshauses unter Kairo.
    Der Gang war so lang, dass man dort einen Marathon hätte veranstalten können. In der Mitte lag ein blauer Teppich, der wie ein Fluss glitzerte. Zwischen den Säulen auf beiden Seiten schimmerten Vorhänge aus Licht – holografische Bilder aus der langen Geschichte Ägyptens. Verschiedene Farben deuteten unterschiedliche Epochen an, vom weißen Leuchten des Zeitalters der Götter bis hin zum purpurroten Licht der heutigen Zeit.
    Die Decke war sogar noch höher als im Ballsaal des Brooklyn Museum, der riesige Raum wurde von leuchtenden Energiekugeln und schwebenden Hieroglyphen erhellt. Es sah aus, als hätte jemand in der Schwerelosigkeit ein paar Kilo Gummibärchen explodieren lassen, die ganzen bunten Teilchen trieben durch die Luft und kollidierten im Zeitlupentempo miteinander.
    Ich schwebte zum Ende des Gangs, knapp über das Podest, auf dem der Pharaonenthron stand. Der Ehrenplatz war seit dem Untergang Ägyptens verwaist, doch auf der Treppe davor saß der Oberste Vorlesepriester, Herr des Ersten Nomos, Führer des Lebenshauses – und zugleich derjenige Magier, den ich am wenigsten leiden konnte: Michel Desjardins.
    Ich hatte Monsieur Liebenswürdig seit unserem Angriff auf die rote Pyramide nicht mehr gesehen und war überrascht, wie stark er gealtert war. Er war erst vor ein paar Monaten Oberster Vorlesepriester geworden, doch sein seidig glänzendes schwarzes Haar und der Gabelbart waren nun von grauen Strähnen durchzogen. Er stützte sich müde auf seinen Zauberstab, als wäre der Leopardenumhang des Obersten Vorlesepriesters bleischwer.
    Ich kann nicht behaupten, dass er mir leidtat. Wir waren nicht als Freunde auseinandergegangen. Wir hatten unsere Kräfte (mehr oder weniger) vereint, um gegen den Gott Seth zu kämpfen, doch Desjardins hielt uns noch immer für abtrünnig und gefährlich. Er hatte Carter und mich gewarnt, dass er uns bei unserem nächsten Zusammentreffen umbringen würde, wenn wir weiterhin den Weg der Götter erlernten (was wir getan hatten). Das hatte uns nicht gerade bestärkt, ihn zum Tee einzuladen.
    Obwohl sein Gesicht eingefallen aussah, glitzerten seine Augen noch immer bösartig. Er betrachtete die blutroten Bilder auf den Lichtvorhängen, als wartete er auf etwas.
    »Est-il allé?«, fragte er, was mein dürftiges Schul-Französisch als »Ist er gegangen?« interpretierte; oder hieß es doch »Kommt er bald?«?
    Na ja … vermutlich Ersteres.
    Einen Moment lang hatte ich Angst, dass er mit mir sprach. Doch dann antwortete hinter dem Thron eine raue Stimme: »Ja, mein Gebieter.«
    Aus dem Schatten trat ein Mann. Er war komplett weiß gekleidet – Anzug, Schal, sogar eine weiße verspiegelte Sonnenbrille.
    Er hatte ein freundliches Lächeln und ein pausbäckiges Gesicht, das von grauen Locken umrahmt war. Ich hätte ihn als harmlos, sogar freundlich eingeschätzt – bis er seine Brille abnahm. Mein erster Gedanke war: Mein Gott, ein böser Eismann .
    Seine Augen sahen schrecklich aus.
    Ich geb’s zu, was Augen anbelangt, bin ich eine Mimose. Ein Fernsehbericht über Netzhautoperationen? Ich würde sofort aus dem Zimmer rennen. Schon beim Gedanken an Kontaktlinsen kriege ich Zustände.
    Der Mann in Weiß sah aus, als wären seine Augen mit Säure bespritzt und anschließend immer wieder von Katzenkrallen zerkratzt worden. Seine Augenlider waren dicke, vernarbte Wulste und schlossen sich nicht richtig. Seine Augenbrauen waren versengt und von tiefen Furchen durchzogen. Die Haut über seinen Wangenknochen war eine Maske dunkelroter Striemen und die Augen selbst eine so schreckliche Kombination aus blutrot und trüb, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass er etwas sehen konnte.
    Als er Luft holte, keuchte er so schlimm, dass mir die Brust wehtat. Auf seinem Hemd glitzerte eine silberne Kette mit einem schlangenförmigen Amulett.
    »Er hat soeben das Portal benutzt«, krächzte der Mann. »Endlich sind wir ihn los.«
    Die Stimme war so entsetzlich wie die Augen. Falls man ihn mit Säure bespritzt hatte, mussten seine Stimmbänder auch etwas abbekommen haben. Trotzdem lächelte der Mann und wirkte in seinem makellosen weißen Anzug so ruhig und

Weitere Kostenlose Bücher