Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
Leopardenanzug; in ihren Händen blitzten Messer auf, als sie mit nicht menschlicher Beweglichkeit und Schnelligkeit auf die Schlange einstach und ihren Bissattacken auswich. Mutterseelenallein hielt Bastet Apophis in Schach.
Ich hatte den Geschmack alter Münzen im Mund. »Sie ist allein. Wo sind die anderen?«
»Sie warten auf die Befehle des Pharaos«, sagte Re. »Das Chaos hat sie gespalten und verwirrt. Ohne Anführer werden sie nicht in den Kampf ziehen.«
»Dann führ sie an!«, verlangte ich.
Der Sonnengott wandte sich ab. Seine Gestalt schimmerte und einen Augenblick sah ich Zia an seiner Stelle. Würde sie mich zu Asche verbrennen? Mittlerweile konnte sie das garantiert problemlos.
»Ich werde meinem alten Feind entgegentreten«, sagte sie ruhig, noch immer mit Res Stimme. »Ich werde meine treue Katze nicht allein kämpfen lassen. Sobek, Bes – begleitet mich.«
»Jawohl, mein König«, sagte Sobek.
Bes ließ die Knöchel knacken. Seine Chauffeurslivree verschwand und wurde durch nichts als die Ich bin der Größte -Badehose ersetzt. »Chaos … mach dich bereit für die Begegnung mit dem Hässlichen.«
»Warte«, sagte Carter. »Was ist mit uns? Wir haben den Schatten der Schlange.«
Das Schiff sank nun schnell und landete südlich der Pyramiden.
»Eins nach dem anderen, Carter.« Zia deutete auf den Großen Sphinx ungefähr dreihundert Meter neben den Pyramiden. »Sadie und du – ihr müsst eurem Onkel helfen.«
Zwischen den Pranken des Sphinx stieg Rauch aus einem Tunneleingang auf. Mein Herz setzte aus. Zia hatte uns einmal erzählt, dass dieser Tunnel verschlossen worden war, damit die Archäologen den Ersten Nomos nicht fanden. Offensichtlich war der Tunnel aufgebrochen worden.
»Der Erste Nomos steht kurz vor der Eroberung«, sagte Zia. Ihre Gestalt veränderte sich erneut und nun stand der Sonnengott vor mir. Es wäre wirklich nett gewesen, wenn er/sie/sie sich entschieden hätte/-n.
»Ich werde Apophis so lange wie möglich aufhalten«, sagte Re. »Doch wenn ihr nicht augenblicklich eurem Onkel und euren Freunden zu Hilfe eilt, wird keiner mehr übrig sein, den ihr retten könnt. Das Lebenshaus wird zerstört werden.«
Ich dachte an den armen Amos und unsere jungen Initianden, die von einer Meute rebellierender Magier umzingelt waren. Wir konnten nicht zulassen, dass sie abgeschlachtet wurden.
»Sie hat Recht«, sagte ich. »Äh, er hat Recht. Was auch immer.«
Carter nickte zögernd. »Ihr werdet die hier brauchen, Lord Re.«
Er hielt dem Sonnengott Krummstab und Geißel entgegen, doch Re schüttelte den Kopf. Oder Zia schüttelte den Kopf. Götter Ägyptens, da sieht man ja überhaupt nicht mehr durch!
»Als ich dir sagte, die Götter warteten auf ihren Pharao«, sagte Re, »da meinte ich dich, Carter Kane, das Auge des Horus. Ich bin hier, um gegen meinen alten Feind zu kämpfen, nicht, um Anspruch auf den Thron zu erheben. Das ist dein Schicksal. Vereine das Lebenshaus, versammle die Götter in meinem Namen um dich. Keine Angst, ich werde Apophis in Schach halten, bis ihr kommt.«
Carter starrte den Krummstab und die Geißel in seinen Händen an. Er sah genauso erschrocken aus wie in dem Moment, als Re zu Sand zerfallen war.
Ich konnte es ihm nicht verdenken. Carter hatte gerade den Befehl erhalten, den Thron der Schöpfung zu beanspruchen und eine Armee Magier und Götter in die Schlacht zu führen. Vor einem Jahr, selbst vor einem halben Jahr, hätte mir die Vorstellung, dass mein Bruder eine solche Verantwortung übertragen bekam, auch Angst eingejagt.
Seltsamerweise ging es mir jetzt nicht mehr so. Im Gegenteil, es war tröstlich, mir Carter als Pharao vorzustellen. Ich bedaure bestimmt irgendwann, dass ich das gesagt habe, und ich bin sicher, dass Carter dafür sorgen wird, dass ich es nie vergesse, aber die Wahrheit ist: Ich hatte mich seit unserem Einzug ins Brooklyn House auf meinen Bruder verlassen. Ich hatte mir angewöhnt, mich auf seine Stärke zu verlassen. Ich vertraute darauf, dass er die richtigen Entscheidungen traf, auch wenn er sich selbst nicht vertraute. Als ich seinen geheimen Namen herausfand, hatte ich nämlich eine besondere Charaktereigenschaft von ihm erkannt: Führungsqualitäten.
»Du bist so weit«, sagte ich zu ihm.
»Aber ja«, bestätigte Re.
Carter blickte auf, ein wenig verdutzt, aber vermutlich sah er mir an, dass ich ihn nicht aufzog – diesmal jedenfalls nicht.
Bes boxte ihn gegen die Schulter. »Na klar bist du bereit,
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