Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
der Duat oder der See war zehn Milliarden Kilometer breit. Die Vorstellung, durch unbekanntes Territorium am Ufer zu laufen oder durch den See zu schwimmen, behagte mir überhaupt nicht. Und wieder mit Isis herumzudiskutieren, dazu hatte ich schon gar keine Lust.
Plötzlich entdeckte ich etwas auf den glutroten Wellen – die Silhouette eines vertrauten Dampfbootes kam näher, aus zwei Schornsteinen wehte leuchtend goldener Rauch und ein Schaufelrad ließ die Lava schäumen.
Mein Bruder – die gute Seele – war völlig verrückt.
»Problem gelöst«, erklärte ich Zia. »Carter bringt uns hin.«
10.
Der Girls’ Day geht richtig in die Hose
Während sie auf den Kai zusteuerten, winkten uns Carter und Walt vom Bug der Egyptian Queen zu. Neben ihnen stand der Kapitän, Blutige Klinge, der bis auf die Tatsache, dass sein Kopf eine blutbefleckte Doppelaxt war, in seiner Bootsführeruniform ziemlich klasse aussah.
»Das ist ein Dämon«, flüsterte Zia nervös.
»Ja«, pflichtete ich bei.
»Das ist doch gefährlich.«
Ich sah sie fragend an.
»Natürlich ist es das«, murmelte sie. »Ich bin ja mit den Kanes unterwegs.«
Die Leuchtkugelmannschaft sauste auf dem Boot herum, zog die Leinen und ließ den Landungssteg herunter.
Carter sah müde aus. Er trug Jeans und ein zerknittertes T-Shirt mit Barbecuesoßenflecken. Seine Haare waren nass und auf einer Seite angeklatscht, man hätte denken können, er wäre in der Dusche eingeschlafen.
Walt sah wesentlich besser aus – na ja, es war ja kein Wettstreit. Wie üblich trug er ein Muskelshirt und Jogginghosen und schaffte es sogar, mich anzulächeln, obwohl man an seiner Haltung sah, dass er Schmerzen hatte. Das Schen -Amulett an meiner Halskette schien wärmer zu werden, aber vielleicht stieg ja auch bloß meine Körpertemperatur.
Zia und ich liefen über den Landungssteg. Blutige Klinge verbeugte sich, was ganz schön an meinen Nerven zehrte, sein Kopf konnte schließlich eine Wassermelone halbieren.
»Willkommen an Bord, Lady Kane.« Seine Stimme kam als metallisches Surren von der Schneide der vorderen Klinge. »Zu Diensten.«
»Tausend Dank«, sagte ich. »Carter, kann ich mit dir sprechen?«
Ich packte ihn am Ohr und zog ihn zum Deckhaus.
»Autsch!«, beschwerte er sich, als ich ihn hinter mir herzerrte. Vor Zia war das vermutlich nicht besonders nett von mir, aber es gab ihr einen Hinweis, wie man meinen Bruder am besten handhabte.
Walt und Zia folgten uns in den großen Speisesaal. Wie üblich war der Mahagonitisch mit Platten von frisch zubereitetem Essen beladen. Der Kronleuchter erhellte farbenfrohe Wandgemälde ägyptischer Götter, die vergoldeten Säulen und eine kunstvoll geschnitzte Decke.
Ich ließ Carters Ohr los und knurrte: »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
»Autsch«, jaulte er erneut. »Was ist dein Problem?«
»Mein Problem«, sagte ich und senkte die Stimme, »ist, dass du wieder dieses Boot und seinen Dämonenkapitän herbeigerufen hast, obwohl Bastet uns gewarnt hat, dass er uns bei der erstbesten Gelegenheit die Kehle aufschlitzen wird!«
»Er steht unter einem Bindezauber«, fing Carter zu diskutieren an. »Letztes Mal ging auch alles glatt mit ihm.«
»Letztes Mal war Bastet dabei«, rief ich ihm in Erinnerung. »Und wenn du glaubst, ich traue einem Dämon namens Blutige Klinge weiter, als ich –«
»Leute«, unterbrach uns Walt.
Blutige Klinge betrat den Speisesaal, in der Türöffnung zog er den Axtkopf ein. »Lord und Lady Kane, von hier ist es nur ein Katzensprung. Wir erreichen die Halle der beiden Wahrheiten in voraussichtlich zwanzig Minuten.«
»Danke, BK«, sagte Carter, während er sich das Ohr rieb. »Wir kommen gleich zu dir an Deck.«
»Sehr wohl«, sagte der Dämon. »Habt Ihr Befehle, was bei der Ankunft geschehen soll?«
Ich erstarrte und hoffte, dass Carter vorausgedacht hatte. Bastet hatte uns gewarnt, dass Dämonen sehr klare Ansagen brauchten, wenn man sie im Griff behalten wollte.
»Du wartest auf uns, während wir die Halle der beiden Wahrheiten aufsuchen«, kündigte Carter an. »Sobald wir zurückkommen, bringst du uns an ein Ziel unserer Wahl.«
»Euer Wunsch ist mir Befehl.« Blutige Klinge klang ein wenig enttäuscht – oder bildete ich mir das nur ein?
Nachdem er verschwunden war, runzelte Zia die Stirn. »Carter, hier muss ich Sadie zustimmen. Wie kannst du dieser Kreatur trauen? Wo hast du dieses Schiff her?«
»Es hat unseren Eltern gehört?«, sagte Carter,
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