Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
die Faust und löschte die Flammen. »Du niederträchtiger, verabscheuungswürdiger –«
»Ganz ruhig bleiben, Püppi«, erwiderte Setne. »Ich habe bloß meiner Besorgnis Ausdruck verliehen. Und was unser Ziel anbelangt – südlich von Kairo, die Ruinen von Memphis.«
Ich fragte mich, was er Zia mit seiner Bemerkung hatte sagen wollte, beschloss aber, dass jetzt nicht die Zeit zum Nachhaken war. Ich wollte Zias brennende Finger nicht in meinem Gesicht haben.
Ich versuchte, mich an das zu erinnern, was ich über Memphis wusste. Es war eine der ältesten Hauptstädte von Ägypten gewesen, wurde jedoch schon vor Jahrhunderten zerstört. Der Großteil der Ruinen lag unter dem modernen Kairo begraben. Andere Teile befanden sich in der Wüste im Süden. Mein Vater hatte mich möglicherweise ein- oder zweimal zu den Ausgrabungsstätten dort mitgenommen, aber ich wusste nicht mehr viel davon. Nach ein paar Jahren verschmolzen die ganzen Grabungsorte zu einem.
»Wohin genau?«, wollte ich wissen. »Memphis war eine große Stadt.«
Setne zog die Augenbrauen hoch. »Da hast du Recht. Mensch, der Spaß, den ich in der Straße der Spieler hatte … Was soll’s? Je weniger du weißt, Kumpel, umso besser. Wir wollen doch nicht, dass unser gewundener Chaosfreund Informationen aus deinen Gedanken zusammenträgt, oder? Da wir schon von ihm sprechen, es grenzt an ein Wunder, dass er eure Pläne noch nicht entdeckt und irgendein fieses Monster geschickt hat, um euch aufzuhalten. Du musst wirklich an deinen mentalen Schutzmechanismen arbeiten. Deine Gedanken zu lesen ist viel zu einfach. Und deine Freundin hier …«
Er beugte sich mit einem Grinsen zu mir. »Möchtest du gern wissen, was sie denkt?«
Zia kannte sich mit den Bändern der Hathor besser aus als ich. Die Fessel um Setnes Hals zurrte sich augenblicklich fest und verwandelte sich in ein hübsches rosa Halsband mit Leine. Setne würgte und umklammerte seine Kehle. Zia nahm das andere Ende der Leine.
»Setne, wir beide gehen jetzt ins Steuerhaus«, verkündete sie. »Du wirst dem Kapitän ganz genau erklären, wohin wir fahren, oder du wirst nie wieder einen Atemzug tun. Kapiert?«
Sie wartete die Antwort nicht ab. Er hätte sowieso nicht antworten können. Sie zerrte ihn wie einen ausgesprochen unartigen Hund übers Deck und die Treppe hinauf.
Sobald sie im Ruderhaus verschwunden waren, fing neben mir etwas zu kichern an. »Erinnere mich daran, dass ich mich bei ihr nicht unbeliebt mache.«
Horus’ Instinkte meldeten sich. Bevor ich wusste, was geschah, hatte ich mein Chepesch aus der Duat gerufen und legte die gebogene Klinge an die Kehle meines Besuchers.
»Ernsthaft?«, sagte der Gott des Chaos. »Begrüßt man so einen alten Freund?«
Seth lehnte im schwarzen Dreiteiler und mit passendem Filzhut lässig an der Reling. Der Anzug stand in auffälligem Kontrast zu seiner blutroten Haut. Bei unserem letzten Treffen war er kahl geschoren gewesen. Nun trug er eng an den Kopf geflochtene und mit Rubinen geschmückte Zöpfchen. Seine schwarzen Augen funkelten hinter einer kleinen runden Brille. Mit Schaudern stellte ich fest, dass er Amos imitierte.
»Hör auf damit.« Ich drückte die Klinge gegen seine Kehle. »Hör auf, meinen Onkel nachzuäffen!«
Seth sah beleidigt aus. »Nachäffen? Mein lieber Junge, Nachahmung ist die aufrichtigste Art der Schmeichelei! Und können wir uns jetzt wie zivilisierte halbgöttliche Geschöpfe unterhalten?«
Er schob mit einem Finger das Chepesch von seinem Hals. Ich ließ die Klinge sinken. Nachdem ich meinen ersten Schock überwunden hatte, war ich ehrlich gesagt neugierig, was er wohl wollte.
»Warum bist du hier?«, fragte ich.
»Ach, such dir einen Grund aus. Die Welt geht morgen unter. Vielleicht wollte ich mich verabschieden.« Er grinste und winkte. »Auf Wiedersehen! Vielleicht wollte ich auch etwas erklären. Oder dich warnen.«
Ich warf einen Blick auf das Steuerhaus. Ich konnte Zia nicht sehen. Es schrillten keine Alarmglocken. Niemand schien bemerkt zu haben, dass der Gott des Bösen gerade auf unserem Boot aufgetaucht war.
Seth folgte meinem Blick. »Was ist mit diesem Setne, hm? Ich liebe diesen Typen.«
»Logisch«, murmelte ich. »Wurde er nach dir benannt?«
»Ach was. Setne ist bloß sein Spitzname. Sein richtiger Name lautet Chaemwaset, du kannst dir also vorstellen, warum er Setne lieber mag. Ich hoffe, er bringt euch nicht gleich um. Man kann wirklich Spaß haben mit ihm … bis er einen
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