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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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dieser allumfassenden Finsternis.
    Mallory reckte sich für einen Augenblick, um den Schmerz zu lindern, der wie mit Kneifzangen in seine Rückenmuskeln griff. Über zwei Stunden hatte er sich gebeugt und gestreckt, gebeugt und gestreckt, als er wohl tausend Eimer hochhob, die Dusty Miller unten im Schiffsraum pausenlos füllte. Wie mochte der sich erst fühlen! Er hatte doch die härteste Arbeit, und war schon seit Stunden fast ununterbrochen schwer seekrank. Gespenstisch sah er aus und kam sich gewiß wie halb tot vor. Die eiserne Willenskraft, mit der er, bei seinem Zustand, die pausenlose Anstrengung ertrug, war kaum noch zu begreifen. Mallory schüttelte verwundert den Kopf. ›Mein Gott, was ist er zähe, dieser Yankee!‹ Ganz von selbst hatte sein Verstand die Worte geformt, und er schüttelte ärgerlich den Kopf, in dem unklaren Gefühl, wie wenig sie von der Wahrheit trafen.
    Nach Luft ringend, blickte er zum Achterschiff, um zu sehen, wie es den andern ging. Brown, der unten war, konnte er natürlich nicht sehen. Ganz zusammengekrümmt in der Enge des Maschinenraums, fühlte er sich auch andauernd übel und litt unter furchtbaren Kopfschmerzen von den Öldünsten und den noch immer aus dem ersetzten Rohr dringenden Auspuffgasen. Und beides mußte er erdulden, da richtige Entlüftung nicht möglich war. Trotzdem hatte er, immer über den Motor gebeugt, seinen Posten seit dem Auslaufen aus der Flußmündung noch nicht einmal verlassen, hatte die mühsam arbeitende alte Kelvinmaschine gehegt und gepflegt mit der Liebe und wunderbaren Geschicklichkeit, deren nur ein Ingenieur mit alter und stolzer Tradition fähig ist. Der Motor brauchte nur einmal, nur einmal für die Dauer eines langen Atemzugs auszufallen, dann nahm das Boot ein ebenso schnelles wie gewaltsames Ende. Seine Steuerfähigkeit und damit ihrer aller Leben hingen allein davon ab, daß die Schraube pausenlos lief und die alte rostige Zweizylindermaschine keinen Augenblick mit ihren harten Stößen aussetzte. Sie war das Herz des Bootes, und wenn das Herz stillstand, mußte das Boot sterben, mußte sich breitseits legen und in den lauernden Abgründen zwischen den Seen kentern.
    Vor dem Maschinenraum, breitbeinig stehend, die Schultern gegen den Eckpfosten des zersplitterten Ruderhauses gestemmt, schuftete Andrea unaufhörlich an der Pumpe, ohne ein einziges Mal den Kopf zu erheben, und offenbar, ohne das wahnsinnige Schlingern des Decks, den beißend scharfen Wind und das Stechen des eiskalten Gischtes zu spüren, der seine nackten Arme lähmen wollte und das durchnäßte Hemd an die gekrümmten mächtigen Schultern preßte. Unermüdlich ging sein Arm auf und nieder, auf und nieder, in regelmäßigem Takt wie der Kolben einer Maschine. Fast drei Stunden pumpte er schon so, und es sah aus, als könnte er das ewig fortsetzen. Mallory, der nach weniger als zwanzig Minuten grausamer Anstrengung abgetreten war, um ihm die Pumpe zu überlassen, fragte sich, ob es für die Ausdauer dieses Mannes überhaupt eine Grenze gab.
    Auch über Stevens wunderte er sich, denn vier endlose Stunden hatte der erfolgreich mit dem Ruder gerungen, das sich in seinen Händen wehrte und hin und her schlug, als hätte es seinen eigenen Willen, sich aus ermüdeten Händen loszureißen und das Schiff in ein Wellental zu schleudern. ›Stevens hat seine Sache vorzüglich gemacht‹, dachte Mallory, ›er hat das plumpe Fahrzeug großartig gesteuert.‹ Er wollte ihn noch beobachten, aber der Gischt hieb ihm so tückisch in die Augen, daß sie zu tränen begannen. Er sah nur noch einen zusammengekniffenen Mund, schlaflose, tief eingesunkene Augen und kleine Flecke unnatürlich bleicher Haut in der Maske von Blut, die fast das ganze Gesicht, vom Haarrand bis zur Kehle, bedeckte. Der sich eigenartig drehende, hoch auflaufende Brecher, der die Bretterwände des Ruderhauses und die Fenster mit so furchtbarer Wucht zerschlagen hatte, war so unvermutet gekommen, daß Stevens nicht mehr ausweichen konnte. Die Schnittwunde über seiner rechten Schläfe war gefährlich lang und tief: das Blut pulsierte noch jetzt über ihre gezackten Ränder und tropfte monoton in das Wasser, das auf dem Boden des Ruderhauses gurgelnd hin und her klatschte.
    Elend bis ins Mark, wandte Mallory sich ab und langte nach dem nächsten Eimer von unten. ›Was für eine Besatzung!‹ dachte er, ›was für eine wirklich unglaublich tüchtige Kameradschaft von – von …‹ Er suchte nach Worten, um sie

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